Auf dieser Seite:
- Japans Kaiser und die Monarchie
- Titel und Amt
- Macht der Frauen
- Ausschluss der Frauen
- Kaiser als Götter
- Kaiser als Priester
- Kaiserliche Legitimierung
- Erziehung und Bildung
- Moderne Herrscher
- Beeinflussbare Kaiser
- 1868 – Renaissance des Kaiserhauses
- Kaiserhaus von 1880 – 1945
- Das Tribunal von 1946
- Rückschlüsse aus der Zeit bis 1945
- Das Kaiserhaus ab 1945
- Thronfolge und Abdankung
- Popularität der Kaiser
- Quellen
- Bildquellen
Japans Kaiser und die Monarchie
Japans Kaiser repräsentiert die älteste Monarchie der Welt. Das heißt, dass der amtierende Kaiser auf eine mehr oder weniger kontinuierlichen Ahnenreihe zurückblicken kann. Trotzdem hatte das Kaiserhaus durchaus auch seine Höhen und Tiefen im Laufe der Geschichte erlebt. Wie manch anderer Bereich der japanischen Kultur und Gesellschaft, erlebte es ebenfalls einen Wandel von Traditionen oder Riten über die Zeit. Gleichzeitig trotzte es auch vielen Veränderungen, weshalb es als Bewahrer der japanischen Seele gesehen werden könnte. Weil vieles von dem, das für das alte Japan steht, wird durch Japans Kaiser verkörpert.
Ein Blick hinter die Palastmauern offenbart das Wesen der japanischen Monarchie von damals und heute.
Symbol der Monarchie
Bereits seit dem 8. Jh. soll die Chrysantheme das Wappen von Japans Kaiser sein (Abb. 1). Dabei ist es nicht nur ihre Schönheit, sondern auch ihre Langlebigkeit, wegen der sie zum kaiserlichen Emblem wurde. Schließlich besteht die japanische Monarchie ebenfalls schon sehr lang. Zudem ist die Blüte auch ein Symbol für die Ahnherrin des Kaiserhauses – die Sonnengöttin Amaterasu. Demnach waren die Herrscher einst göttliche Wesen mit himmlischen Wurzeln. Jedoch sind sie laut heutiger Verfassung nur noch „das Symbol des Staates und der nationalen Einheit“. Daher einige grundlegende Aspekte, die das ursprüngliche Bild des Kaiserhauses und seiner Mitglieder darstellen.
Titel und Amt
Japans Kaiser bezeichnet man als tennō. Der Titel lässt sich mit “himmlischer Herrscher” übersetzten und stammte aus China. Allerdings wurde tennō erst im 7. Jh. in Japan en vogue und ist neutral, gilt also für Kaiser und Kaiserinnen.
Der Titel des Kaisers Japans ist seit jeher mit einem Amt verbunden. Allerdings hat dieses Amt kaum mit der Ausübung politischer Herrschaft zu tun, als vielmehr religiöser Riten. Denn einem Mythos zufolge, sind die Monarchen Nachfahren des Ninigi, dem Enkel der Sonnengöttin Amaterasu. Also ist die kaiserliche Herrschaft ein himmlisches Mandat. Folglich sind dazu auch nur Nachfahren des Ninigi ermächtigt[1]. Einst auch die weiblichen. Wobei dies bis heute nur 8 von insgesamt derzeit 126 tennō in der Ahnenreihe waren.
Macht der Frauen
Anfänglich war es eine Frau namens Himiko, die in der ersten Hälfte des 3. Jhs.? über den Verbund von Yamatai herrschte. Über sie berichten chinesischen Quellen. Sie soll eine Priesterin des Shintoismus gewesen sein, die über Zauberkräfte verfügte. Mit diesen beherrschte sie die Menschen im Land. Zwar war Himiko keine Kaiserin, aber eine bedeutende Persönlichkeit. Ihr Bruder verkündete den Sippenoberhäuptern Yamatais das Wort der Götter aus dem Munde seiner Schwester. Denn zu Zeiten Himikos war Japan noch kein geeintes Reich. Jedenfalls kann hieraus abgeleitet werden, dass Frauen in höchsten Ämtern nicht ausgeschlossen waren.
Also kam bis ins 8. Jh. das erstgeborene Kind eines Kaisers oder einer Kaiserin als Nachfolger auf den Thron. Dies konnte auch eine Tochter sein. Aber warum ist das nicht mehr so?
Ausschluss der Frauen
Grund für die heute rein männliche Thronfolge war die Regentschaft der Kaiserin Kōken (718 – 770). Kōken hatte zwei Amtszeiten (749 – 758; 764 – 770). Dazwischen übergab sie einem verwandten Prinzen die Regierung, behielt aber ein Mitspracherecht. 761 begann sie eine Affäre mit dem buddhistischen Hofpriester Yūge no Dōkyō und förderte dessen Karriere. Schließlich führte dies zum Konflikt mit einem hohen Minister ihres Nachfolgers. Kōken setzte den Regenten ab und kehrte 764 auf den Thron zurück. Nun als Kaiserin Shōtoku. Während der zweiten Amtszeit der Kaiserin, war Dōkyōs Einfluss so groß, dass er de facto die Regierung innehatte. Nach dem Tod der Kaiserin (770) versuchte der Hofpriester selbst auf den Thron zu kommen[2]. Dies wurde jedoch von Angehörigen des Hofadels verhindert. Seitdem hielt man Frauen für die Thronfolge für ungeeignet.
Kaiser als Götter
Nach japanischem Verständnis haben Japans Kaiser das höchste religiöse Amt auf Erden inne, als Bindeglied zu den Göttern im Shintoismus. Denn der Legende nach ist die Sonnengöttin Amaterasu die Ahnherrin des Kaiserhauses, dem kōshitsu oder tennōke. Einst sandte die Göttin ihren Enkel Ninigi auf die Erde. Dort herrschte ihr Bruder Susanoo, den sie zuvor aus dem Himmel verbannt hatte. Also übernahm Ninigi von Susanoo die Herrschaft und gründete mit einer Prinzessin eine Dynastie. Ihr Ururenkel Jimmu (7./6. Jh. v. Chr.?), gilt als der erste Kaiser Japans. Somit waren all seine Nachfahren nach tradierter Überzeugung selbst Götter, sogenannte akitsumi kami (w. lebendige Gottheiten). In diesem Sinne erzog man die Kaiser von alters her im Geiste höherer Wesen. Denn sie hatten nichts mit den einfachen Untertanen gemein außer ihrer Sterblichkeit.
Kaiser als Priester
Obwohl die japanischen Kaiser politisch oft machtlos schienen, so war doch ihre Aufgabe als Priester im Shintoismus immens wichtig. Denn nur sie hatten neben hohen Priestern Zugang zu den verbotenen Bereichen der shintō-Heiligtümer. Außerdem konnten nur sie bestimmte Riten ausführen, die dem Wohl des Reichs und der Menschen dienten. Den Kaiser direkt anzugreifen, bedeutete demzufolge den Zorn der Götter herauszufordern und Verderben über das Land zu bringen. Der gewaltsame Tod eines Monarchen hätte zumindest theoretisch das Band zu den Göttern gefährdet.
Hingegen konnte in China quasi jeder Kaiser werden, wenn er nur die nötigen Fähigkeiten mitbrachte, zielstrebig und skrupellos genug war. Indes war in Japan dieses Amt durch den bestehenden Schöpfungsmythos allein den blutsverwandten Ninigis vorbehalten. Schließlich sind alle bisherigen Kaiserinnen und Kaiser seine Nachfahren. Sogar die historisch eher schwer nachweisbaren. Sie alle stellen eine mehr oder minder ununterbrochene Linie dar.
Kaiserliche Legitimierung
Über Jahrhunderte wurde die Herrschaft oder zumindest die Existenz des Kaiserhauses durch die Bande mit dem Himmel legitimiert und gesichert. Somit war der shintō-Kult zwar von besonderer Bedeutung, jedoch in der frühen Geschichte noch keine Staatsreligion. Vielmehr bildete er das kulturell-religiöse Fundament des Staates. Obwohl die göttliche Legitimierung nach großer Macht klingt, lag diese real bereits ab Ende des 12. Jh. nicht mehr in den Händen der Kaiser. Denn der Kriegeradel beherrschte faktisch das Land. Allerdings erfuhr selbst dessen Herrschaft nur durch den Kaiser Rechtmäßigkeit.
Wenn nach blutigen Kämpfen schließlich ein daimyō (Lehnsfürst) die weltliche Macht ergriff, so war diese erst dann vollkommen, wenn er von Japans Kaiser den begehrten Titel des shōgun verliehen bekam. Dieser höchste militärische Führer im Reich war dabei nicht unbedingt ein Favorit seiner Majestät. Die Macht des shōgun ging also auch vom Kaiser aus, in dessen Namen er Politik machte. Daher akzeptierte das Volk diese Herrschaft auch.
Erziehung und Bildung
Das Amt des Kaises brachte es früher mit sich, dass Thronfolger nicht von den leiblichen Eltern erzogen wurden. Deshalb betraute man eine noble Familie des Hofes damit. Diese zog die zukünftigen Herrscher groß. Zwar lernten die Kronprinzen die Hofetikette, Klassiker der chinesischen Philosophie und japanische Dicht- und Schreibkunst, jedoch nichts über Staatsgeschäfte oder Politik. Schließlich kann ein Gott sich nicht mit profanen Dingen befassen. Ohnehin lag die Exekutive Macht im 13. Jh. bei der Kriegerklasse.
Mitte des 19. Jhs. führte eine Revolte kaisertreuer Kräfte zur Wiederherstellung der Macht des Kaiserhauses. Prinz Mutsuhito (1852 – 1912) bestieg 1867 als Kaiser Meiji den Thron (Abb. 2). Der anfänglich unerfahrene Kaiser Meiji lernte schnell, was die moderne Welt von einem Monarchen erwartet. Deshalb entschied er für seinen Enkel Hirohito, dass dieser eine moderne Erziehung erhalten sollte. In diesem Fall bedeutete dies eine militärische Ausbildung und damit einen Bruch mit der Tradition.
Moderne Herrscher
Ein Verwandter, Graf Kawamura Sumiyoshi (1836 – 1904), ein ehemaliger Admiral, übernahm diese Aufgabe und nahm den Thronfolger Prinz Hirohito in seinen Haushalt auf[3]. Denn Kaiser Meiji erkannte die Zeichen der Zeit. Folglich dachte er an die Zukunft des Landes und der Monarchie. Wegen der neuen Herausforderungen würde von Kaisern zukünftig mehr verlangt, als nur die chinesischen Klassiker oder japanische Dichtung und Kalligraphie zu beherrschen. Darüber hinaus galt es nun die Grundlagen westlicher Diplomatie, Technologie, Wissenschaft und militärischer Führung zu erlernen und zu kennen. Die zukünftigen Gottkaiser sollten zu gebildeten Staatsmännern werden.
Hingegen folgte die Wahl der Ehefrauen alten Sitten. Die Monarchen ehelichten Töchter des mit ihnen verwandten Hochadels. Außerdem wählte das allmächtige Kunai-Chō (Hofamt) eine passende Kandidatin für seine Majestät aus. Eine Liebesheirat war eher etwas Westliches und schien daher ungeeignet.
Beeinflussbare Kaiser
Das Kaiserhaus Japans war zwar kontinuierlich, aber seine Macht hingegen nicht. Denn in all den Jahrhunderten übten verschiedene Gruppen Einfluss auf das Kaiserhaus aus. Zuerst der Hofadel und hohe Hofbeamte. Ab dem 12. Jh. dann der Kriegeradel. Und ab dem späten 19. Jh. Politiker, Militärs und Industrielle.
Wie im Fall Kaiser Meijis, der sehr jung auf den Thron kamen, waren sie politisch unerfahren und somit relativ leicht beeinflussbar. Selten drückten sie direkt aus, was sie dachten, fühlten oder wünschten. Denn sie waren bestrebt stets einen Konsens im Reich zu wahren. Dazu bedurfte es sorgfältiger Abwägung und Konsultation mit adeligen Beratern, den genrō, Hofbeamten und anderen politischen Akteuren. Jedoch übten diese Einfluss auf die Kaiser aus. Denn sie legten ihnen nahe, was für sie selbst, das Reich und die Nation gut sei.
1868 – Renaissance des Kaiserhauses
In der Meiji-Ära (1868 – 1912), die mit dem Sturz des amtierenden shōgun 1868 ihren Anfang nahm, erlangte das Kaiserhaus einen Teil seiner einstigen Macht wieder. Kaiser Meiji trat als charismatischer Anführer auf, der Visionen für die Entwicklung seines technisch rückständigen Landes hatte. Ebenso galt es, die wiedererlangte Macht des Kaiserhauses für die Zukunft zu sichern. Denn mit der Modernisierung des Kaiserreichs nach westlichem Vorbild kam fremdes Gedankengut ins Land. Konservative sahen darin auch eine potenzielle Gefahr für das Kaiserhaus. Immerhin schienen politische Ideen wie die Demokratie oder der geradezu anarchistisch wirkende Kommunismus für die Monarchie nicht unbedingt nützlich.
Außerdem wurde erstmals eine strikte Trennung von Shintoismus und Buddhismus vorgenommen. Auch dies sollte der Festigung des Kaiserhauses dienen. Zwischen 1920 und 1945 propagierten nationalistisch-faschistisch orientierte Parteien, vor allem während der Ära unter Prinz Yoshihito, der als Kaiser Taishō (reg. 1912 – 1926) auf den Thron kam, massiv die Besinnung auf rein japanische Religiosität und Werte.
Kaiserhaus von 1880 – 1945
Obwohl in der Meiji-Ära die Monarchie neu belebt wurde, sollten Meijis Nachfolger es trotzdem nicht leicht haben. Denn die europäischen Mächte und die USA hatten Länder in Süd-, Südost- und Ostasien kolonialisiert. Welche Rolle würde dann das Kaiserreich Japan spielen? Entweder die einer Großmacht oder eines Vasallen des Westens. Folglich steuerten konservative Berater des Kaisers und nationalistische Parlamentarier ab 1880 das Reich geradewegs in eine Phase des Imperialismus. Allerdings musste die ganze Nation darauf eingeschworen werden. Dazu hob man die kulturelle und moralische Einzigartigkeit des japanischen Volkes propagandistisch hervor und lehrte dies sogar an Schulen.
Trotzdem war die Monarchie in ihrem Fortbestand gefährdet. Das lag einerseits an ideologischen Einflüssen aus dem Westen, andererseits am schwindenden Respekt gegenüber dem chronisch kranken Kaiser Taishō (Abb. 3, dem Vater Hirohitos). Nicht nur seitens der einfachen Untertanen, sondern auch des Militärs. Immerhin war das Militär eine Bastion der Kaiserverehrung[4].
Leitfigur der Radikalen
Von 1928 bis 1930 erschütterte die Weltwirtschaftskrise die Industrienationen, wozu Japan inzwischen auch zählte. Die Lebensumstände vieler Japaner verschlechterten sich. Um Japan schließlich aus diesem wirtschaftlichen wie moralischen Tief zu zerren, erhoben radikal rechte Politiker den Gottkaiser zur zentralen Leitfigur. Allerdings ohne die ausdrückliche Zustimmung seiner Majestät. Dies wurde symptomatisch für das Verhältnis zwischen Politik und Kaiser. Tatsächlich waren und sind die japanischen Monarchen Personen, die niemals beliebig oder gar eigenmächtig handeln können. Das heißt, das sie ständig den öffentlichen Willen und die Ziele der Eliten bei der Ausführung der Staatsgeschäfte reflektieren müssen[5]. Dies spiegelt das Streben nach Harmonie in der japanischen Gesellschaft wider, das besonders auf Konsens basiert.
Spielball der Eliten
Je größer das Streben des Kaisers nach Konsens war, umso leichter fiel es den radikalen Kräften, die ganze Nation zu indoktrinieren. Diese wurde nun nicht mehr allein von konservativen Politikern beeinflusst, sondern zunehmend auch von Großindustriellen. Und ab den 1930ern lenkte das Militär den Staat. Hingegen lag für die Untertanen die höchste patriotische Pflicht in der Verehrung des Kaisers, was bis hin zur Selbstaufgabe reichte. Zudem waren die in seinem Namen herausgegebenen Regierungsanordnungen strikt zu befolgen. Denn Gehorsam, Loyalität und Respekt stellten Bürgerpflichten dar und waren ein Zeichen der Würdigung des Kaisers. In diesem Fall des Prinzen Hirohito, der als Kaiser Shōwa (reg. 1926 – 1989, Abb. 4) den Thron bestieg. Doch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 sollte sich einiges ändern.
Der Kaiser ein Mittäter?
Nachdem Japan am 2. September 1945 kapitulierte, stellten sich der US-Besatzungsbehörde Fragen bezüglich der Rolle Kaiser Shōwas während des Krieges: War er nur eine Marionette der herrschenden Eliten Japans gewesen? Oder ordnete er auch Angriffe japanischer Streitkräfte an? Wie viel Schuld konnte man seiner Person überhaupt am Krieg und den Kriegsverbrechen zuweisen? Die Antworten sollten darüber entscheiden, ob man den Gottkaiser als Kriegsverbrecher vor Gericht stellen würde.
Einige Berater der US-Regierung in Washington, die noch zum Stab des kurz vor Kriegsende verstorbenen US-Präsidenten Roosevelt gehörten, wollten Japans Monarchen zu gerne als Kriegsverbrecher verurteilt sehen. Für sie trug er maßgebliche Mitschuld am Angriffskrieg, insbesondere auf Pearl Harbor. Ebenso an den in Asien verübten Kriegsverbrechen der japanischen Streitkräfte. Immerhin musste ein Monarch doch als oberster Befehlshaber stets die Kontrolle über seine Streitkräfte haben, so die simple Überlegung. Dies entsprach auch der Sicht der Sowjets und Chinesen.
Das Tribunal von 1946
Also Grund genug, um den Kaiser vor das Kriegsverbrechertribunal von Tōkyō zu stellen. Washington hatte allerdings Zweifel, weil man die eher symbolische Rolle des Kaisers aus der Geschichte kannte. Außerdem war sich die US-Regierung der immensen Bedeutung des Kaisers für die japanische Nation bewusst. Zudem befürchtete die Besatzungsbehörde in Tōkyō, dass die japanische Bevölkerung in Aufruhr geraten könnte, wenn der Kaiser als Kriegsverbrecher anklagt werden würde. Oder, wenn seine Verurteilung zur Abschaffung der Monarchie führen würde. Schließlich setzte sich der gemäßigte Demokrat und zum neuen US-Außenminister bestellte James F. Byrnes (1882 – 1972) durch. Er plädierte für den Erhalt der japanischen Monarchie[6]. Die Prozesseröffnung erfolgte am 3. Mai 1946. Jedoch nicht gegen den Kaiser.
Ermittlungen
Hierzu galt es die Unschuld des Kaisers zu beweisen. Mit der delikaten Aufgabe als Chefermittler betraute man Brigadegeneral Bonner F. Fellers (1901 – 1989), der sicherstellen sollte, dass keinerlei Fundament für eine Anklage Kaiser Hirohitos existierte. Ebenso, dass er nicht den Befehl zum Angriff auf Pearl Harbor gegeben hatte. Fellers Ermittlungen waren Teil der Strafverfolgung 30 japanischer Kriegsverbrecher der Kategorie A, die mit dem Kaiser entweder direkt oder indirekt in Verbindung gebracht wurden.
Fellers war ein Kenner Japans. Noch vor Kriegsbeginn besuchte er Japan und hatte dort Bekannte, auch in Kreisen des Militärs. Während des Pazifikkriegs war er als US-Geheimdienstoffizier für die psychologische Kriegsführung verantwortlich[7]. Daher wusste Fellers, dass es unmöglich war, den völlig abgeschirmten Kaiser direkt zu befragen. Folglich begann er seine Ermittlungen mit der Befragung hochrangiger Persönlichkeiten aus dem unmittelbaren Umfeld des Kaisers.
Wahrheitsfindung
Eine wichtige Rolle in den Ermittlungen spielte der hohe Hofbeamte Sekiya Teizaburō (1875 – 1950). Sekiya erwies sich als direkte Verbindung zum Palast und damit zum Kaiser. Außerdem war er eine wichtige Informationsquelle für Fellers. Mit Hilfe Sekiyas galt es zu klären, welchen Standpunkt der Kaiser zum Angriff auf die USA einnahm und ob er diesen befohlen hatte. Offiziere im Stab von General Douglas MacArthur kritisierten Fellers später, weil er vermutlich mit diesem Vorgehen die Schlüsselfiguren um den Kaiser ungewollt gewarnt hatte. Denn diese nahmen nun an, dass ihre Aussagen den Kaiser möglicherweise belasten könnten. Man unterstellte ihnen, sich untereinander abgestimmt zu haben, den Kaiser zu schützen. Allerdings konnte dies nie bewiesen werden.
Japans Kaiser und der General
Während der Ermittlungen drängte die US-Besatzungsbehörde auf ein Treffen zwischen General MacArthur und em Shōwa tennō. Allerdings erkannten die Berater MacArthurs auch, dass selbst ein siegreicher General einem gottgleichen Monarchen nicht einfach befehlen konnte, zu erscheinen. Ebenso wollte man gegenüber der japanischen Öffentlichkeit keine Schwäche zeigen, indem der General ehrerbietig um die Erlaubnis einer Audienz bei seiner Majestät bittet. Außerdem war der Palast für die Vertreter der Besatzungsbehörden absolut tabu. Die Missachtung dieser Order wäre respektlos und eine riskante Provokation gewesen. Wie konnte man also den Kaiser dazu bewegen, zum General zu kommen? Indem man ihn wissen ließ, dass ein inoffizieller Besuch beim General von besonderer Bedeutung und „nicht unangebracht“ sei. Dies war eine höflich formulierte Aufforderung, die den Kaiser sein Gesicht vor seinem Volk wahren ließ. Schließlich suchte er den General am 27. September 1945 in der US-Botschaft in Tōkyō auf (Abb. 5).
MacArthurs Entscheidung
Beim Treffen soll Kaiser Hirohito auf Englisch geäußert haben, dass er allein die Verantwortung für alles trage, was man Japan vorwarf. Er sei erschienen, um sich dieser Verantwortung zu stellen. Schließlich folgte MacArthur als Verantwortlicher der Überzeugung seiner Berater. Er beschloss den Kaiser keinem Gerichtsprozess auszusetzen, weder als Verantwortlichen noch als Zeugen. Denn im Namen des Kaisers waren die anstehenden und schwierigen politischen sowie sozialen Veränderungen in Japan leichter umzusetzen. Folglich tat der General unbewusst das Gleiche, was zuvor die mächtigsten Lehnsfürsten Japans zwischen dem 12. und 16. Jh. getan hatten. Wenn diese sich als Machthaber legitimieren wollten, dann mussten sie den Titel des shōgun aus der Hand des Kaisers erhalten.
Der General nutzte die Begegnung mit Hirohito, um seinen eigenen Einfluss auf das japanische Volk zu stärkte. Zudem wird das Erscheinen von Japans Kaiser vor MacArthur nach außen wie eine Billigung der Person des Generals und der Besatzungsmacht gewirkt haben.
Rettung der Monarchie
Alle Bemühungen der US-Besatzungsbehörde dienten von da an dazu, den Kaiser auf dem Thron zu halten und ihn von aller Schuld reinzuwaschen.
Allerdings musste sich der Kaiser nun von seinem treu ergebenen Generalstab distanzieren, der verhaftet und vor dem Tribunal angeklagt wurde[8]. Als die erste Verhaftungswelle von verdächtigten Kriegsverbrechern stattfand, wollte die japanische Regierung den Alliierten zuvorkommen und ein eigenes Tribunal einberufen. Sehr zum Missfallen des Kaisers. Denn würden mutmaßliche Kriegsverbrecher in seinem Namen von japanischen Gerichten verurteilt, dann stünde dies im Widerspruch zu seinem vorherigen Handeln. Ohnehin lehnte das Headquartier General MacArthurs das Ersuchen der japanischen Regierung ab. Noch bevor das Tribunals im Mai 1946 begann, drängte Fellers bei seinen Befragungen darauf, dass die angeklagten Kriegsverbrecher die Schuld auf sich nehmen sollten, um den Kaiser zu entlasten.
Untersuchungsergebnis
Fellers informierte im November 1945 MacArthur über den Ausgang seiner Untersuchung. Demzufolge existierten keine stichhaltigen Beweise dafür, dass Kaiser Hirohito in besonders belastendem Maße in die politischen Machenschaften der Kriegszeit involviert war. Im Grunde durfte es sie aus reiner Berechnung nicht geben, weil MacArthur brauchte den Kaiser. Es etablierte sich die Sichtweise, dass der Kaiser vor allem dem Einfluss der Ministerialbeamten und des Militärs unterlag, die seine Berater waren[9].
Daher ist auch nicht sicher, wie diese auf eine offene Ablehnung ihres Oberhaupts gegenüber einem Angriffskrieg reagiert hätten. Hirohito kam zu einer Zeit auf den Thron, in der die Monarchie nicht nur unpopulär, sondern aufgrund bestehender sozialer und wirtschaftlicher Probleme auch im Fortbestand gefährdet war. Er selbst galt anfangs als ein Mensch, dem es in den Augen radikaler Politiker und Militärs am nötigen Kampfgeist und Charisma fehlte[8].
Für den Kaiser und Japan
So kam es, dass vor allem US-amerikanische Verteidiger ihre japanischen Mandanten und Zeugen anwiesen, bei ihren Aussagen zu verdeutlichen, dass der Kaiser während der Sitzungen im Kaiserlichen Generalhauptquartier nur ein passiver Beisitzer war. Ungünstig war hingegen die Aussage von General Tōjō Hideki (1884 – 1948). Er äußerte, dass niemand es jemals ernsthaft gewagt hätte, seiner Majestät zu widersprechen. Erst das Einreden des ebenfalls angeklagten Marquis Kido Kōichi (1889 – 1977) bewegte Tōjō schließlich dazu, seine ursprüngliche Aussage abzuändern. Später, beim Kreuzverhör durch den US-amerikanischen Chefankläger Joseph B. Keenan (1888–1954), berichtigte Tōjō seine vorherige Aussage. Laut dieser folgte seine Majestät nur widerstrebend dem Rat seines Militärstabs, der die Entscheidung zum Krieg bereits gefällt hatte[10]. Während der Prozesse machten alle Angeklagten ohne zu zögern entsprechende Aussagen. Damit war eine Entscheidungsgewalt und dadurch Mitschuld des Kaisers ausgeschlossen.
Rückschlüsse aus der Zeit bis 1945
Ob Hirohito eine elementare Mitschuld am Krieg trägt, ist bis heute für viele nicht absolut eindeutig. Einige Aspekte seiner Persönlichkeit sowie seiner Rolle und Kompetenzen im Staate sind hier zu berücksichtigen und komplex. Entsprechend sind viele Ereignisse oder Berichte lediglich Indizien, die zu einer tendenziellen Auffassung führen können. Somit war eine absolut eindeutige Schuld des Kaisers nicht beweisbar.
Fellers deutete die Bereitschaft Hirohitos zu kapitulieren so, dass er den Krieg nie wirklich gebilligt habe. Jedoch vermochte er es nicht sich gegen eine Clique von Militärs, Politikern und Industriebonzen durchzusetzen.
Einerseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Gedanke an einen verlustreichen Krieg dem Kaiser keinesfalls gefiel. Andererseits sehen Experten jedoch in Kaiser Hirohito einen Opportunisten. Möglicherweise drängt er sogar Untergebene zu bestimmten Entscheidungen.
Mit Sicherheit kann nur gesagt werden, dass Hirohito zumindest über die Kriegspläne und die Vorgehensweise des Militärs sehr wohl im Bilde war.
Das Kaiserhaus ab 1945
Den Auftakt für einen Neubeginn in Japan bildeten die Urteile des Tribunals. Dieses endete am 12. November 1948 mit 7 Todesurteilen, 16 lebenslänglichen und 2 mehrjährigen Haftstrafen. Allerdings kamen 13 der zu lebenslanger Haft verurteilten zwischen 1950 und 1956 wieder frei. Gnade der Sieger? Jedenfalls schien damit der Gerechtigkeit vorerst Genüge getan zu sein.
Doch wie würde es nun weiter gehen? Welche Rolle würde der Kaiser von nun an spielen, in einem modernen Staat Japan? Einem Japan unter starkem westlichen Einfluss.
Der Gottkaiser wird Mensch
Am 1. Januar 1946 wandte sich Kaiser Hirohito über Radio in einer Neujahrsansprache ans Volk. Mit getragener Stimme und in für viele Japaner schwer verständlicher Hofsprache verkündete er, dass von nun an das Verhältnis zwischen ihm und dem Volk von „shin’ai to kei’ai“ geprägt sein möge, von gegenseitig empfundener „tiefer Zuneigung und Respekt“. Was der Kaiser meinte, war, dass er keineswegs ein lebendiger Gott sei, ein sogenannter akitsumi kami. Sondern vielmehr ein Sterblicher wie alle anderen auch. Deshalb ist diese Ansprache auch als tennō ningen sengen (w. kaiserliche Proklamation der Menschlichkeit) in die Geschichte eingegangen.
Monarchie und Demokratie
Des Kaisers Lossagung von seiner Göttlichkeit, wurde von den US-Behörden erzwungen. Denn die hatten die Demokratisierung der japanischen Gesellschaft zum Ziel. Um dies zu erreichen, musste man mit dem uralten Mythos der Göttlichkeit brechen. Schließlich sind in der Demokratie alle Menschen gleich. Folglich passte ein göttlicher Kaiser nicht in dieses Konzept. Die Monarchie wurde letztendlich nur erhalten, weil ihr politischer Nutzen für die Besatzungsmacht entsprechend groß war. Weil im Namen des Kaisers würde das Volk auch schwierige Veränderungen eher akzeptieren.
Allerdings übten japanische Intellektuelle nach dem Krieg auch offen Kritik am Kaiser und sahen ihn ebenso verantwortlich für den Krieg wie die Militärs und Politiker. Trotzdem blieben die Verehrung und der Gehorsam ihm gegenüber in der breiten Bevölkerung erhalten. Die Lossagung des Kaisers von seiner Göttlichkeit sowie die Einführung der konstitutionellen Monarchie bedeuteten aber die Trennung von Shintoismus und Staat[11].
Neue Rolle der Kaiser
Obwohl der Shōwa tennō (Hirohito) bereits seine Menschlichkeit verkündet hatte, sollte auch die Nachkriegsverfassung das Kaisertum als Amt neu definieren. Entsprechend dem Geist der Demokratie, ist der Kaiser nur noch das Symbol des Staates und der nationalen Einheit. Folglich kommen dem Kaiser lediglich formelle Aufgaben zu.
So z. B. die Ausführung von besonderen rituellen Handlungen als oberster Vertreter des Shintoismus. Oder der Empfang hochrangiger Staatsgäste (Abb. 5). Schließlich die feierliche Eröffnung der Sitzungsperioden des Parlaments. Ebenso die Bestätigung der demokratisch gewählten Volksvertreter und der von der Regierung ausgesuchten Richter. Hingegen besitzt er keine politische Macht, selbst wenn man seine Meinung zu politischen Dingen anhört.
Das Hofamt
In der Vorkriegszeit war das Kunai-Chō (Hofamt) sehr mächtig. Auch danach beeinflusste es Z. B. noch die Heiratspolitik des Kaiserhauses, indem es die potenziellen Ehefrauen der zukünftigen Kaiser auf ihre Eignung prüfte. Unter Umständen widersprach es einer Heirat. Hierzu versuchte man die Auserwählte oder deren Familie nötigenfalls sogar zu diskreditieren, um eine Heirat zu verhindern. Allerding besitzt das Hofamt diese Macht heute nicht mehr.
Es untersteht dem Kabinett des Premierministers und steuert den Haushalt und das Protokoll sowie die verfassungsmäßigen Zeremonien und Aufgaben des Kaiserhauses. Die direkte oder indirekte Einmischung in die Heiratswünsche der Prinzen und Prinzessinnen gehört der Vergangenheit an. Inzwischen sieht sich das Hofamt als Bewahrer des Kaiserhauses, weil es im Auftrag der Regierung und Verfassung handelt.
Emanzipiertes Kaiserhaus
Z. B. wählte Prinz Akihito (*1933), der spätere Kaiser Heisei, seine bürgerliche Frau Michiko (*1934) selbst aus (Abb. 6). Beide lernten sich während des Studiums kennen und heirateten 1959. Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor. Kronprinz Naruhito (*1960), der heutige Kaiser Reiwa, dann Prinz Fumihito (*1965), sowie die Tochter, Prinzessin Sayako (*1969). Schließlich taten die Kinder es ihren Eltern gleich und sind in diesem Punkt deutlich emanzipierter als ihre Vorgänger. Ihr Großvater, Kaiser Shōwa (Hirohito), heiratete noch eine entfernte Cousine aus dem japanischen Hochadel (kōzoku). Damals noch eine gängige Praxis. Außerdem ließen Akihito und Michiko es sich trotz aller protokollarischen Pflichten nicht nehmen, ihre Kinder selber zu erziehen. Ganz im Sinne einer bürgerlichen Familie.
Thronfolge und Abdankung
Japans Kaiser wird man durch Geburtsrecht und die Erbfolge. Gewöhnlich wird das Amt dann bis zum Tode ausgeübt. Allerdings stellen einige ungelöste Probleme die japanische Monarchie auf die Probe. Manche fürchten sogar um ihren Fortbestand. Zuerst einmal wäre da der Mangel an männlichen Nachkommen. Sehr Ungünstig für eine Monarchie, die auf eine rein männliche Erbfolge setzt. Schließlich noch die bisher fehlende Regelung für eine frühzeitige Abdankung eines Kaisers. Wie geht die Verfassung damit um?
Die Thronfolgeregelung
Die Verfassung legt eine patrilineare Thronfolge fest. Das heißt, dass nur der erstgeborene Sohn eines Kaisers als Kronprinz zur Thronfolge berechtigt ist. Zudem tritt ein Kronprinz sein Amt erst nach dem Tod des amtierenden Kaisers an. Hierdurch soll jede äußere Einflussnahme auf die Thronfolge und Monarchie unterbunden werden. Wenn allerdings ein Thronfolger aus gesundheitlichen Gründen oder durch verfrühten Tod ausfällt, würde der nächstgeborene Prinz zum Kronprinzen erklärt. Gibt es keinen, würde man vorzugsweise einen männlichen Verwandten des Kaisers als Thronfolger bestimmen, sofern sich ein geeigneter Kandidat findet.
Jedoch haben die bürgerlichen Ehefrauen der Söhne des inzwischen emeritierten Kaisers Heisei überwiegend Töchter geboren. Daher wird diskutiert, die Verfassung zu ändern, um auch weibliche Nachkommen auf dem Thron zuzulassen. Zwar wären genügend Prinzessinnen vorhanden, aber diese scheiden mit der Heirat bürgerlicher Ehemänner aus der kaiserlichen Familie aus. Dadurch verlieren sie den Adelsstatus und alle Titel.
Erhalt des Kaiserhauses
Unterhausabgeordnete der Liberaldemokratischen (LDP) und der Gerechtigkeitspartei (Komeitō) sowie der Opposition sahen Ende Mai 2017 die Notwendigkeit per Sonderresolution, dem Schrumpfen der kaiserlichen Familie Einhalt zu gebieten (Abb. 6). Weil diese zählte nur noch 17 Mitglieder (ohne den Kaiser). Zukünftig, so die Absicht, soll es kaiserlichen Prinzessinnen erlaubt sein, eigene Familien (auch mit bürgerlichen Ehemännern) zu gründen. Jedoch sollen sie ihren Adelsstatus behalten. Sodass sie oder ihre Nachkommen mit weiteren Änderungen in der Verfassung zur Thronfolge berechtigt wären[12].
Abdankung nicht vorgesehen
Kaiser Akihito äußerte im Juli 2016 den Wunsch abzudanken. Dies kam für die Öffentlichkeit unerwartet. Am 8. August gab er im Fernsehen eine Erklärung ab. Er äußerte, dass ihm mit 82 Jahren die Ausübung all seiner protokollarischen und verfassungsmäßigen Pflichten inzwischen schwerfalle. Zudem mache er vermehrt Fehler. Jedoch sei die Erfüllung seiner Pflichten Sinn und Zweck seines Amtes. Daher lehne er eine Reduzierung seiner Pflichten ab.
Die letzte Abdankung eines Kaisers ereignete sich 1817. Seitdem ist dies nicht mehr vorgekommen und ist deswegen auch nicht in der Nachkriegsverfassung Japans vorgesehen. Eine Verfassungsänderung bzgl. Thronfolge und Abdankung muss wohl durchdacht werden. Weil das Kaiserhaus darf nicht zum Spielball politischer Willkür von Parteien oder einer Regierung werden. Eine Verfassungsänderung muss dies berücksichtigen.
Akihito als Präzedenzfall?
Die Regierung arbeitete schon seit dem Frühjahr 2016 an einer Verfassungsänderung bzgl. der Thronfolge. Denn sollte der Kaiser handlungsunfähig werden, dann würde dies das öffentliche Leben beeinträchtigen. Schließlich bestätigt er z. B. die Wahl von Ministern oder Richtern. Dadurch treten diese erst rechtskräftig ihr Amt an. Und Gesetze werden durch seine Unterschrift erst rechtsgültig. So will es die Verfassung. Daher sollte die Abdankung eines Kaisers berücksichtigt werden, was man als seizen-taii (w. Abdankung zu Lebzeiten) bezeichnet.
Am 23. Dezember, zum Geburtstag Akihitos, wurde der Entwurf zur Verfassungsänderung vorgelegt und am 9. Juni 2017 als Gesetz schließlich verabschiedet. Heisei tennō dankte am 30. April 2019 ab. Darauf wurde Kronprinz Naruhito am 1. Mai als Kaiser Reiwa inthronisiert.
Jedoch wird das Abdankungsgesetz wohl nur für den emeritierten Kaiser Akihito gelten, weil die Regierung daraus kein permanentes Recht für den kaiserlichen Haushalt machen will[13].
Popularität der Kaiser
Es gibt in Japan Bürger, die die Monarchie kritisch sehen. Manche wünschen sich einen politisch aktiveren Monarchen. Jedoch begrenzt die Verfassung den Einfluss des Kaisers auf Staatsgeschäfte. Trotzdem wünschen sich radikale Rechte Japans Kaiser auch als Anführer des Staates. Hingegen fordern radikale Linke die Abschaffung der Monarchie.
Jedenfalls nimmt die Nation durchaus kontrolliert am öffentlichen Leben der kaiserlichen Familie zumindest medial teil. Wann immer sich die Pforten des Palastes für die Bürger öffnen, nutzen diese gerne die Gelegenheit. Im Dezember 2014 beschloss das Hofamt, die Tore der alten Burganlage des vergleichsweise bescheidenen Palastes für 50.000 Bürger zu öffnen. Die konnten sich dann einen Teil des kaiserlichen Parks ansehen, der sonst für die Öffentlichkeit unzugänglich ist.
Subtil und Volksnah
Was die inzwischen emeritierten Majestäten Akihito (*1933) und Michiko (*1934) angeht, unterscheiden sie sich von ihren Vorgängern im Verhältnis zum Volk. Weil beide sind volksnah. Z. B. besuchten sie die Opfer der Erdbebenkatastrophe vom März 2011 in Nordost-Japan. In den Notunterkünften suchten sie die Menschen auf und ließen sich das Grauen schildern. Vor allem Kaiserin Michiko zeigte durch ihre warmherzige Art Mitleid und Verständnis. Die japanische Monarchie scheint heute recht modern, wenngleich in manchen Dingen noch recht archaisch. Letzteres bezieht sich jedoch nur auf das Hofzeremoniell und die Ausübung von schintoistischen Riten. Sie ist eine Monarchie der leisen und eher subtilen Töne. Die Monarchen verstehen sich als Repräsentanten nicht nur des japanischen Volks, sondern auch dessen Willens. Dies bedeutet, dass der Kaiser seine Haltung stets in Bezug auf den Volkswillen und die Regierungsziele reflektieren muss.
Bescheiden aber resolut
Entsprechend bescheiden wirkt die kaiserliche Familie nach außen. Selten äußern sich Mitglieder politisch öffentlich. Dadurch unterschätzt man, dass sie durchaus eine eigene politische Meinung haben.
2014 sorgte der damalige Kronprinz Naruhito für Aufmerksamkeit. Denn er äußerte sich mahnend zur aktuellen Politik des damaligen Premierministers Abe, bezüglich dessen Geschichtsrevisionismus. In Zeiten schwindender Kriegserinnerungen halte er es für wichtig, auf die eigene Vergangenheit mit Bescheidenheit zurückzublicken und diese unglückliche Erfahrung an die Generation, die den Krieg nicht erlebt hat, korrekt weiterzugeben, so der Kronprinz[14].
Zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs am 14. August 2015, äußerte der damalige Kaiser Akihito sein tiefes Bedauern über die Opfer des Krieges und das er hofft, dass sich die Verwüstungen des Krieges nie mehr wiederholen werden. Man sah darin ebenso eine Kritik am Premierminister. In der Volksrepublik China und Südkorea fasste man wohl auch deshalb die Worte des Kaiser deutlich wohlwollender als die des Premierministers auf[15].
Quellen
[1] Vgl. Kodansha (Hg.): Japan – An Illustrated Encyclopedia; Vol. 1 (A-L), 1st Edition, Kodansha Publishing, Tokyo & New York 1993, S. 335. Vgl. Totman, Conrad: A History of Japan. 1st Edition, Blackwell Publishing, Oxford 2001, S. 66f.
[2] Vgl. Kodansha, 1993, S. 813.
[3] Vgl. Bix, P. Herbert: Hirohito and the making of modern Japan. Perennial, Harper Collins Publishers, 1st Edition, New York 2001, S. 23f.
[4] Vgl. Ebd., S. 21f, 53.
[5] Vgl. Ebd., S. 80.
[6] Vgl. Bix, 2001, S. 568. Vgl. Cartier, Raymond: Der Zweite Weltkrieg. Verlag R. Piper & Co., Sonderausgabe, München u. Zürich 1977, S. 1051, 1056.
[7] Vgl. Bix, 2001, S. 543, 547. Vgl. Buruma, Ian: Wages of Guilt. Memories of War in Germany and Japan. Vintage, Random House, London 1995, S. 175. Vgl. Mosley, Leonard: Ein Gott dankt ab. Hirohito – Kaiser von Japan. Verlag Stalling, Oldenbur u. Hamburg 1966, S. 178f. Vgl. Bonner Fellers Homepage: Bonner Fellers – Hirohito’s struggle to surrender, 2014, S. 1f.
[8] Vgl. Bix, 2001, S. 567.
[9] Vgl. Ebd., S. 421 – 424, 83f.
[10] Vgl. Bix, 2001, S. 581, 584. Vgl. Buruma, 1995, S. 176.
[11] Vgl. Bix, 2001, S. 560f.
[12] Vgl. Kyōdō News: Lawmakers agree to urge gov’t to consider female imperial branches, 30.05.2017.
[13] Vgl. Japan Today: Gov’t to draft outline of legal change for emperor abdication, 15.07.2016. Vgl. Kyōdō News: Emperor abdication bill clears lower house, 02.06.2017; Japan enacts law to allow 1st abdication of emperor in 200 years, 09.06.2017.
[14] Vgl. Japan Today.: Crown prince warns of need to remember World War II ‚correctly’, 23.02.1015.
[15] Vgl. Ders.: Emperor expresses deep remorse on WWII anniversary, 15.08.2015.
Bildquellen
Abb. 1 Bildquelle: Originalquelle unbekannt, gefunden auf commons.wikipedia.org. Bildautor: njt. Public Domain.
Abb. 2 Bildquelle: Originalquelle unbekannt, gefunden auf commons.wikipedia.org. Bildautor: Zscout370. Public Domain.
Abb. 3 Bildquelle: Originalquelle unbekannt, gefunden auf de.wikipedia.org. Bildautor: 宮内省 (Japanisches Hofamt). Public Domain.
Abb. 4 Bildquelle: Originalquelle unbekannt, gefunden auf de.wikipedia.org. Bildautor: 高木 背水. Public Domain.
Abb. 5 Bildquelle: US Library of Congress, PPD, Photo No.: Cph.3a40859, aus 毎日新聞社「天皇四代の肖像」, gefunden auf de.wikipedia.org. Bildautor: unbekannt. Public Domain.
Abb. 6 Bildquelle: Truman Library & Museum, Photo No. 98-2431, gefunden auf en.wikipedia.org. Bildautor: US Army Lt. Gaetano Faillace. Public Domain.
Abb. 7 Bildquelle: US State Department, gefunden auf commons.wikimedia.org. Bildautor: William Ng. Public Domain.
Abb. 8 Bildquelle: Japanisches Außenministerium (外務省), 2013, gefunden auf commons.wikimedia.org. Bildautor: Ders. Creative Commons Attribution4.0 International.