Verwaltung

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Wie wird Japan verwaltet?

Japans Verwaltung basiert auf Präfekturen als Gebietskörperschaften. Diese haben per Verfassung das Recht auf Selbstverwaltung. Trotz dieser gewährten Autonomie ist Japan aber im Prinzip ein zentralistisch geführter Staat. Denn die landesweit verbindlichen Entscheidungen treffen allein die Regierung und die zentralen Organe der Judikative und Exekutive in Tōkyō. Abgesehen davon, hat die Regierung ihre Mittel, wie sie trotz Selbstverwaltung die Präfekturen kontrolliert.
Dabei ist die Bildung von Präfekturen als Teil des Verwaltungssystem nicht ursprünglich japanisch. Dies kam erst in der zweiten Hälfte des 19. Jh. durch ausländischen Einfluss und Reformen zustande.

Abbildung des Regierungsviertels in Tōkyō
Abb.: Chiyoda-ku, das Regierungsviertel in Tōkyō mit den Ministerien. Sie sind die exekutiven Organe der Regierung.

Von Domänen zu Präfekturen

Heute besteht Japan aus Präfekturen, die teils die Verwaltung erledigen. Zuvor bestand das Land aber aus sogenannten han. Dies waren die Domänen oder Lehensgebiete verschiedener Fürsten, die zwischen dem 12. und 16. Jh. beträchtlich an wirtschaftlicher und politischer Macht gewannen. Bis 1868 existierten 273 dieser han, die wie Kleinstaaten handelten. Allerdings orientierten sich die Grenzverläufe der han nicht immer an denen der Provinzen des Landes, den sogenannten kuni. Denn diese existierten spätestens seit dem 8. Jh. Sie waren aus dem ritsuryo-sei hervorgegangen, dem alten System des Straf- und Verwaltungsrechts[1].

Verwaltungsreform

Nachdem Japan 1853 seine 220 Jahre währende Isolation aufgab und sich wieder gegenüber dem Ausland öffnete, kamen vermehrt verschiedenste westliche Einflüsse ins inzwischen rückständige Land. Darauf wurde 1868 das Schogunat gestürzt und das Kaiserhaus restituiert (Meiji-Restauration). Ein Modernisierungsprozess begann. Dieser betraf schließlich auch die Verwaltung. Folglich wurden 1871 die feudalen Domänen abgeschafft. Diese gingen wieder ans Kaiserhaus zurück. Danach teilte die neue Regierung das Reich nach französischem Vorbild in Präfekturen ein, als ken bezeichnet. Für das neue Gemeindewesen stand jedoch die preußische Gemeindeordnung Pate.
Somit bestand das Staatsgebiet Japans anfangs aus 72 Provinz- und drei Stadtpräfekturen. Die Größe der Provinzpräfekturen orientierte sich meist an den Grenzverläufen der historischen Provinzen. Erst 1889 wurden sehr kleine, benachbarte Präfekturen fusioniert, weshalb einige Präfekturgrenzen neu gezogen wurden. Dadurch entstanden 42 Provinz- und drei Stadtpräfekturen. Allerdings waren Hokkaidō und die Ryūkyū-Inseln in diesem System der Verwaltung noch nicht inbegriffen[2].

Präfekturen heute

Vor 1945 wurden bestimmte Bereiche der Verwaltung wurden den Präfekturen übertragen. Jedoch nur, um die Zentralregierung von unwesentlichen oder zeitraubenden Verwaltungsvorgängen zu entlasten. So z. B. der Rekrutierung Wehrpflichtiger, der Wahl des niederen Beamtenapparats und dem Finanz- und Steuerwesen. Dennoch blieb die Kontrolle bei der Zentralregierung, da der Innenminister weiterhin die als chiji bezeichneten Gouverneure ernannte, welche die Präfekturen leiteten[3].
Die Präfekturen bestehen bis heute aus shi (kreisfreien Städten), gun (Distrikten), machi/chō (kreisangehörigen Städten) und mura/son (Dörfern). Schließlich kamen 1947 Hokkaidō als Distrikt und 1972 die Ryūkyū-Inseln als Präfektur hinzu. Seitdem setzt sich Japan aus einer Hauptstadtpräfektur (~), einer Provinz- (~), zwei Stadtpräfekturen (~fu) sowie 43 Präfekturen (~ken) zusammen (siehe Karte und Tab. 1).

Karte der heutigen Präfekturen Japans
Karte: Die heutigen Präfekturen Japans.

Verwaltungssystem to-dō-fu-ken

Den Namen der Präfekturen folgen die oben genannten Suffixe und zeigen an, welchen Status die Gebietskörperschaften in der Verwaltung haben. So bspw. Tōkyō-to, Hokkai- (gewöhnlich aber Hokkaidō geschrieben), Kyōto-fu oder Akita-ken. Daraus leitet sich die Bezeichnung to-dō-fu-ken für das seit 1947 aus insgesamt 47 Präfekturen bestehende System ab. Die Namen der meisten Präfekturen sind mit dem Namen ihrer Hauptstädte identisch. Gewöhnlich ist das die größte Stadt einer Präfektur, die in der Regel auch historisch schon Verwaltungszentrum in der Region war. Die zwei Stadtpräfekturen Ōsaka und Kyōto wurden nach dem Zweiten Weltkrieg im juristischen Sinn den übrigen Präfekturen gleichgestellt.
Außerdem existieren den Präfekturen und Städten noch untergeordnete Verwaltungseinheiten, die in Tab. 1 aufgelistet sind.

Tabelle der Gebietskörperschaften und Verwaltungseinheiten
Tab. 1: Gebietskörperschaften und Verwaltungseinheiten in Japan.

Selbstverwaltung der Präfekturen

Die Präfekturen sind heute politisch wie ökonomisch Gebietskörperschaften der Selbstverwaltung, als chihō jichi (w. regionale Selbstverwaltung) bezeichnet. Dies ist in der Verfassung (Kapitel 8, Artikel 92–95) verankert.
Die lokale Selbstverwaltung besteht seit 2007 aus zwei Ebenen: den 47 Präfekturen und 1.729 Gemeinden/Kommunen. Hierarchisch sind letztere in 786 shi (kreisfreie Städte) mit ihren ku (Stadtbezirken), machi (kreisangehörigen Städten) und mura (Dörfern/Kommunen) untergliedert, die zusammen 914 zählen (siehe Tab. 1)[4].

Organe der Selbstverwaltung

Die höchsten Organe der Selbstverwaltung bilden die Gouverneure und die Präfekturparlamente, als chihō-gikai (w. Regionalparlament) bezeichnet. Beide werden von der wahlberechtigten Bevölkerung einer Präfektur alle vier Jahre neu gewählt. Gouverneure und Mitglieder der Parlamente müssen mindestens 25 Jahre alt sein und aus der Präfektur stammen. In die Befugnisse des Präfekturparlaments fallen die Finanzen (inklusive Steuern) sowie die Verabschiedung von Verordnungen und Entscheidungen bei Personalfragen. Ebenso Teile der Infrastruktur und des Sozialwesens (siehe Tab. 2)[5].
Ein Vergleich, bspw. mit den deutschen Bundesländern, ist jedoch nicht nur irreführend, sondern schlichtweg falsch. Die deutschen Länderparlamente sind per Bundesverfassung auch gesetzgebende Versammlungen mit der Befugnis, auf die Länder beschränkte Gesetze zu erlassen. Dadurch ist Deutschland eine föderative Republik, ein Bund aus weitgehend autonomen Ländern, was Japan nicht ist.

Tabelle der Verteilung von Kompetenzen zwischen Zentralregierung und Organen der Selbstverwaltung in Japan
Tab 2.: Verteilung der Kompetenzen zwischen Regierung und Präfekturen.

Grenzen der Selbstverwaltung

Die sogenannten Präfekturparlamente sind lediglich Organe der lokalen Selbstverwaltung im vorwiegend wirtschaftlichen Sinne. Obwohl sich diese Versammlungen als Parlamente bezeichnen, so haben sie aber keinerlei gesetzgebende Befugnis. Denn sie sind durch die Verfassung und Verwaltungsgesetze in ihrem Handeln eingeschränkt. Somit obliegt die Gesetzgebung allein dem Parlament in der Hauptstadt Tōkyō. Deshalb können die Präfekturen in der zentral gelenkten japanischen Staatsstruktur nicht autonom existieren.
Der Zentralismus drückt sich am stärksten in den Interventionsmöglichkeiten der Regierung aus. So kann sie bspw. nach Belieben Berichte oder Stellungnahmen von einer Präfekturverwaltung anfordern. Überdies kann sie auch Eingriffe ins Management öffentlicher Unternehmen vornehmen. Besonders Genehmigungsvorbehalte bei der Erhebung kommunaler Steuern oder bei finanziellen Sonderzuweisungen und Verwaltungszuschüssen durch das ehemalige Jichi-Shō (Ministerium für Selbstverwaltung) sind weitere Mittel, um die Präfekturen (metaphorisch gesprochen) an „goldenen Zügeln“ gefügig zu machen[6].

Kompetenzen und Führung

In der Verwaltung gibt es eine klare Aufteilung der Kompetenzen zwischen Zentralregierung, Präfekturen und Gemeinden. Ebenso gilt dies für die Finanzierungslast bestimmter Ressorts (siehe Tab. 3).
Staatliche Macht drückt sich in der Verwaltung auch in Form der „administrativen Führung“ aus, dem sogenannten gyōsei shidō. Dies ist eine Verwaltungs- und Regierungspraxis, definiert gemäß Artikel 2 (vi) des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder gyōsei-teitsuzukihō (w. Administrations-Verfahrensgesetz) von 1993. Mit diesem Gesetz können staatliche Verwaltungsorgane innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche Leitlinien, Empfehlungen und Ratschläge aussprechen. Hierdurch sollen administrative Ziele der Regierung transparent kommuniziert werden, sofern sie keine ausdrücklichen Anordnungen darstellen. Weil in der Regel auf staatlicher Verwaltungsebene eher mit Leitlinien gearbeitet wird, statt mit harten Verordnungen, ist das Verwaltungsverfahrensgesetz eine subtile Methode, abweichendes Verhalten zu ahnden. Denn Personen, Unternehmen oder Organisationen müssen mit Sanktionen rechnen, wenn sie Ratschläge oder Empfehlungen der Behörden einfach ignorieren. Möglicherweise werden sie von Behörden im Wettbewerb benachteiligt[7].

Aufteilung der Finanzierungslast zwischen Regierung und Präfekturen in Japan
Tab. 3: Aufteilung der Finanzierungslast zwischen Regierung und Präfekturen in Japan

Quellen

[1, 4]   Vgl. CLAIR: Local Autonomy in Japan 2012. Council of Local Authorities for International Affairs, Tokyo 2013, S. 1–2, 3f. 自治体国際化協会:日本の地方自治。東京2013年。(PDF-Dokument). Vgl. Hall, John Whitney: Das japanische Kaiserreich. Fischer Taschenbuch Verlag, Bd. 20, 15. Aufl., Frankfurt a. M. 2009, S. 264f.

[2, 3]   Vgl. Collcutt, Martin et al.: Bildatlas der Weltkulturen – Japan. Bechtermünz Verlag im Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 1997, S. 182. Vgl. Hall, 2009, S. 264f.

[5]   Vgl. CLAIR,  2013, S. 10f. 自治体国際化協会:日本の地方自治。東京2013年。
Vgl. CLAIR:  Local Autonomy in Japan 2009. Council of Local Authorities for International Affairs, Tokyo 2010, S. 10. 自治体国際化協会:日本の地方自治。東京2010年。(PDF-Dokument).

[6, 7]   Vgl. Schmidt, Carmen: Politik und Bürokratie in Japan: Kontinuität und Veränderung im Verhältnis zwischen Regierungsbeamten und Politikern. [Politics and Bureaucracy in Japan: Continuity and Change in the Relationship Between Government Officials and Politicians.] Erschienen in: Japan aktuell. Ausg. 2/2006, Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück, Osnabrück 2006, S. 3.

Bildquellen

Abb.: Bildquelle: commons.wikipedia.org; Bildautor: itoshin87, 15. März 2006. (CO) Public Domain.