Senkaku und Chinas LVIZ

Bezeichnung und Lage der Senkaku

Die Senkaku sind eine Gruppe von fünf Inseln und drei Felsen bzw. Riffen. Diese liegen teils recht weit auseinander. Die Japaner nennen diese Inseln und Felsen Senkaku-shotō. In der Volksrepublik China bezeichnet man sie als Diàoyú-dǎo (Diaoyu, gspr. Djao’jü-dao). Und in Taiwan heißen sie Diàoyútái-lièyǔ (gspr. Djao’jütai li‘ejü). Im Westen ist die Inselgruppe auch als Pinnacle Islands bekannt.
Die Inseln und Felsen liegen im Ostchinesischem Meer (Karten 1 und 2). Genauer gesagt, ca. 148 km nördlich der Sakishima-Inselgruppe (gemessen bis Minami-Kojima) und ca. 310 km westlich von Okinawas Südspitze (gemessen bis Taishō-tō).
Die Volksrepublik China, die Republik China (Taiwan) und Japan streiten sich darum, wem die Senkaku-Inselgruppe tatsächlich gehört. Offiziell und international betrachtet man sie als japanisches Territorium, was China und Taiwan aber nicht anerkennen.

Karte mit Lage der Senkaku-Inseln
Karte 1: Lage der Senkaku-Inselgruppe im Ostchinesischem Meer.
Karte der Senkaku-Inseln im Detail
Karte 2: Vergrößerter Ausschnitt von Karte 1, Senkaku-Inselgruppe im Ostchinesischem Meer.

Gründe für den Streit um die Senkaku

Die vier Eilande der Inselgruppe sind relativ klein und karg, weshalb sie seit 1940 nicht mehr bewohnt sind (Abb. 1). Umso schwerer fällt es, zu verstehen, weshalb die drei Staaten überhaupt einen Disput um diese Inselgruppe führen. Hier geht es um vermeintlich historische Besitzrechte einerseits sowie um macht- und wirtschaftspolitische Aspekte andererseits. Nicht zuletzt geht es auch um den Nationalstolz.
Bereits 1968 wurden Erdöl- und Gasvorkommen unter dem Meeresgrund im Ostchinesischem Meer vermutet, womit der Territorialstreit begann[1]. 1970 führte die Volksrepublik China Probebohrungen in der Nähe der Inselgruppe durch. Im Juli 1996 erklärten dann Japan sowie China die Senkaku-Inseln zum Bestandteil ihrer jeweiligen ausschließlichen Wirtschaftszone. Besondere Brisanz erfuhr der Territorialstreit im Jahre 2012, mit dem Verkauf von einigen der Inseln, die sich im Besitz des japanischen Unternehmers Kurihara Hiroyuki befanden.

Senkaku: Uotsuri-shima, Kita- und Minami-Kojima.
Abb. 1: Uotsuri-shima (im Hintergrund), Kita- und Minami-Kojima. © 共同通信社, Kyōdō Tsūshinsha (14.07.2021).

Geschichte der Senkaku

Entdeckung im 15. Jh.

Im späten 14. Jh. entdecken chinesische Seefahrer die Eilande im Ostchinesischem Meer und nennen sie Diaoyu. Quellen des 16. Jh. zufolge, erteilte die chinesische Regierung Nutzungsrechte für die Inseln. Offensichtlich betrachten die Chinesen die Inseln von da an als einen Teil ihres Reichs und binden sie in die Küstenverteidigung ein[2]. Im 18. Jh. erwähnen japanische Quellen erstmals die kleinen Inseln und Felsen, die sie als Senkaku bezeichnen. Hieraus ergaben sich aber keine Ansprüche.
Eine intensive Nutzung oder gar Besiedlung ist also weder in chinesischen noch japanischen Quellen jener Zeit verzeichnet.

1895-1945

Japan nahm die Senkaku-Inselgruppe erst 1895 in Besitz, nachdem China im Japanisch-Chinesischem Krieg unterlag. Offenbar erhob auch sonst niemand Anspruch darauf. Ende der 1890er erwarb der Unternehmer Koga Tatsushirō die vier größten Inseln vom japanischen Staat und unterhielt dort bis 1940 kleine Fischverarbeitungsbetriebe[3]. 1943 einigten sich die USA, Großbritannien und China in Kairo darauf, dass mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs alle Territorien Chinas, die Japan seit 1914 besetzt oder annektiert hat, an China zurückgehen.

Detailkarte der Senkaku-Inseln
Karte 3: Die Senkaku-Inseln im Detail.
Karte mit Entfernungen zwischen den Senkaku-Inseln
Karte 4: Entfernungen zwischen den Senkaku-Inseln.

1945-2012

Die USA verwalteten von 1945 bis 1972 die Ryūkyū-Inseln, zu denen man auch die Senkaku-Inseln zählte[4]. 1978 erwarb Herr Kurihara Hiroyuk aus der Präfektur Saitama von Nachfahren des Herrn Koga die Senkaku. Seit 2002 zahlte die Regierung Kurihara eine Pacht für die weitere Nutzung der vier großen Eilande[5]. 10 Jahre später Entschied sich Kurihara die Inseln wieder an den japanischen Staat zu verkaufen. Diese Verstaatlichung der Inseln bewog China und Taiwan dazu ihren Anspruch gegenüber Japan geltend zu machen.
Seitdem versuchten immer wieder Nationalisten aus China oder Japan auf Uotsuri-shima zu landen, um medienwirksam ihre Nationalflagge zu hissen. Die Küstenwachen beider Länder patrouillieren und beobachten die Gewässer um die Senkaku, um illegale Fischer der jeweils anderen Nation zu stoppen. Taiwan hat mittlerweile mit Japan ein Fischereiabkommen für die Inseln ratifiziert, was für China einem Verrat durch den „kleinen, abtrünnigen Bruder“ gleichkommt[6].

Wem gehören die Senkaku-Inseln?

Interessanterweise bestätigte China die legitime Inbesitznahme der Inseln durch Japan mit dem Vertrag von Shimonoseki vom 17. April 1895 als Folge des Sieges Japans im ersten Chinesisch-Japanischen Krieg (1894–1895). Aber aus Sicht der Volksrepublik China hatte Japan 1951 mit der Annahme des Friedensvertrags von San Francisco auch die Potsdamer Deklaration anerkannt. Diese besagt, dass Japan keine Besitzansprüche auf Inseln erhebt, außer auf seine vier Hauptinseln. Über den Verbleib der restlichen Inseln entschieden die Besatzungsbehörden später und gesondert. Außerdem argumentierte China jüngst vor einer UN-Kommission, dass die umstrittenen Inseln zu China gehören, weil sie sich als Auffaltung am Rande der chinesischen Kontinentalplatte befinden, der durch den Okinawa-Graben am Meeresboden markiert wird[7]. Die UN-Kommission kann zwar diesen wissenschaftlichen Aspekt prüfen, aber keine juristisch verbindliche Entscheidung für oder gegen ein Land treffen. Die Besitz der öden Senkaku-Inseln ist für Japan entscheidend, auch wegen des Anspruchs auf die Öl- und Gasvorkommen dort.

Drohgebärden und Säbelrasseln

Der damalige japanische Premierminister Abe warnte die Volksrepublik China im Februar 2013 vor übereilten Aktionen, wenn es um die Senkaku-Inseln geht. China versuchte seinen Anspruch durch die Entsendung von Flugzeugen, Kriegs- und Küstenwachschiffen zu den Inseln zu bestärken. Im Gegenzug entsandten die Japaner ihre (Abb. 2)[8]. Küstenwachschiffe Chinas patrouillieren um die Inseln, als sei es das Territorium der Volksrepublik. Die japanische Küstenwache hat bereits mehrfach chinesische Fischereifahrzeuge auch gewaltsam abgedrängt.
Beide Seiten rasseln mit den Säbeln und belassen es momentan bei teils markiger Rhetorik. Kein offizieller Vertreter einer der Staaten hat seitdem die Inseln direkt betreten. Auch keine Soldaten, weil dies einer Annektierung gleichkäme.

Japanisches Marineflugzeug über Uotsuri-shima
Abb. 2: Ein japanisches Marine-Aufklärungflugzeug fliegt an Uotsuri-shima vorbei, 13.10.2011. Bildquelle: flickr.com; Bildautor: Chính Dang-Vu (veröffentlicht unter Fair-Use-Richtlinien für intellektuelle, nicht-kommerzielle Zwecke).

Nationalismus und Diplomatie

2013 äußerten chinesische Historiker eine provokant nationalistische These. Sie weiteten Chinas Anspruch von den Senkaku- auf die Ryūkyū-Inseln aus. Diese waren im 14. und 15. Jh. China gegenüber tributpflichtig gewesen. Damit, so die Historiker, sei auch bewiesen, dass Chinas Ansprüche auf diese Region historisch weit älter als die Japans seien. Tatsächlich blieb Ryūkyū aber ein bis 1879 weitgehend unabhängiges Königreich. Deshalb distanzierte sich die Regierung in Peking von dieser Darstellung, um die Situation nicht eskalieren zu lassen. Japan bot im September 2013 Gespräche zur Beilegung dieses Disputs an. Man machte aber deutlich, dass es keine Zugeständnisse bezüglich der Senkaku-Inseln geben wird. China ist hingegen nur zu Gesprächen bereit, wenn Japan zugibt, dass die Inseln zumindest umstritten sind[9].

Japans damaliger Premierminister Abe war in einer misslichen Lage. Denn er hatte sich für die Wahlkampfkampagne im Dezember 2012 einer Politik des stolzen und starken Japans verschrieben. Also konnte er sich ein Nachgeben in dieser Frage nicht erlauben. Jedenfalls nicht, wenn er vor konservativen Wählern und der Nation glaubwürdig bleiben wollte. Viele chinesische Nationalisten waren derart aufgeputscht, dass sie in Internetforen offen einen Krieg gegen Japan forderten, um den alten Feind in seine Schranken zu weisen und ihn zu lehren, wo sein Platz ist[10].
Bisher kam nur aus Taipei ein vernünftiger Vorschlag, der ein Ende dieses Streits hätte bedeuten können. Der damalige Präsident der Republik China (Taiwan), Ma Ying-jeou, schlug im November 2012 vor, dass China, Japan und sein Land die umstrittenen Inseln gemeinsam nutzen. Sie gehören quasi dann allen drei Staaten und gleichzeitig keinem. Jeder bekäme einen Anteil an den natürlichen Ressourcen[11].

Kriegsszenario

Premierminister Abe warnte China ausdrücklich vor einer Landung von Truppen auf einer der Senkaku-Inseln, weil Japan absolut gewillt sei, dies mit Gewalt zu unterbinden. Tōkyō hat in dieser Angelegenheit Rückendeckung durch die USA, die Japan in diesem Disput zur Seite stehen. Auch Australien, das mit Japan 2010 eine enge militärische Kooperation vereinbart hat, steht dem Partner zur Seite[12]. Im Juni 2013 wurden deshalb gemeinsame amphibische Übungen in Kalifornien abgehalten. Hier sollten die Fähigkeit der japanischen Streitkräfte zur Wiedereinnahme von Inseln verbessert werden. Laut Pressesprechern war diese Übung nicht spezifisch gegen die Volksrepublik China gerichtet[13]. China zeigte sich bei Bekanntgabe dieser Übungen besorgt. Denn strategisch sind die Inseln ein Nadelöhr, weil chinesische U-Boote dort vorbeifahren müssen, um in den Pazifik zu gelangen. Für Japan sind sie wichtiger Teil zur Abwehr ballistischer Raketen und Überwachung chinesischer Flottenbewegungen[14].

Ausweitung der LVIZ Chinas

Im Gegenzug weitete die Volksrepublik China am 23. November 2013 ihre Luftverteidigungs- und Identifikationszone oder LVIZ (Air-Defense and Identification Zone, ADIZ) über dem Ostchinesischen Meer aus, die nun auch die umstrittenen Senkaku-Inseln einschließt (Karte 5). Japan und seine militärischen Partner werten dies als Provokation. Das Verteidigungsministerium in Peking gab bekannt, dass ausnahmslos alle Flugzeuge einen Durchflug dieser Zone anzumelden und sich zu identifizieren haben. Sollte dies nicht geschehen, werden entsprechende „Notfallmaßnahmen“ eingeleitet. Dieser Schritt richte sich nicht spezifisch gegen einen anderen Staat und stelle auch keinen Verstoß gegen den freien Luftraum dar. Er verdeutliche jedoch das Recht Chinas zur Selbstverteidigung.

Japans, Chinas, Taiwans, Südkoreas Luftverteidigungs- und Identifikationszone
Karte 5: Die Luftverteidigungs und Identifikationszonen Japans, Südkoreas, Chinas und Taiwans.

Wie zu erwarten war, fühlte Japan sich dennoch direkt angesprochen. Man bezeichnete diesen Akt als ein „sehr gefährliches Spiel“, das „unvorhersehbare Folgen haben könnte.“ Man mahnte Peking zur Zurückhaltung im Streit um die Senkaku-Inseln[15]. Nicht nur Japan kritisierte diesen Schritt Chinas. Auch Südkorea, Taiwan und die USA verurteilten diese Maßnahme Pekings scharf. Vor allem zivile Fluggesellschaften machte diese nervös, die zwischen Ost- und Südostasien verkehren. Die USA hatten darauf demonstrativ zwei B-52 Langstreckenbomber von Japan aus starten lassen. Die Bomber drangen ohne vorherige Anmeldung in die Zone ein und hielten sich ca. eine Stunde im Luftraum auf. China beließ es bei einer Radarüberwachung der “Eindringlinge”.

Japanische, Chinesische Begriffe und Schriftzeichen

Diàoyú-dǎo 釣魚島 (gespr. Djao’jü-dao)

Diàoyútái-lièyǔ 釣魚臺列嶼 (gespr. Djao’jütai li‘ejü)

Senkaku-shotō 尖閣諸島 (Senkaku-Inselgruppe)

Quellen

[1]   Vgl. Pan, Junwu: Toward a New Framework for Peaceful Settlement of China’s Territorial and Boundary Disputes. Koninklijke Brill NV, Leiden 2009, S. 140.

[2]   Vgl. Lee, Seokwoo: Territorial Disputes among Japan, China and Taiwan Concerning the Senkaku Islands. Boundary and Territory Briefing, Vol. 3, No. 7, University of Durham 2002, S. 12f.

[3]   Vgl. Andreas Lorenz: Streit zwischen Japan und China. Der Fluch der Inseln. Der Spiegel, Hamburg 17.09.2012.
https://www.spiegel.de/politik/ausland/japan-und-china-streit-um-senkaku-inseln-seit-jahrzehnten-ungeloest-a-856296.html (12.07.2021)

[4]   Vgl. Pan, Junwu, 2009, S. 140.

[5]   Vgl. Japan Today: How double-dealing sparked Japan-China island dispute, 14.11.2012.

[6]   Vgl. Ders.: China concerned as Japan, Taiwan sign fishing agreement for disputed isles, 11.04.2013.

[7]   Vgl. Ders.: U.N. to consider validity of China’s claim over disputed islands, 25.01.2013.

[8]   Vgl. Ders.: 6 Chinese ships sail near disputed isles says Japan coast guard, 14.09.2012; Chinese military planes flew near disputed isles 40 times in one day, 28.04.2013; Japan survey ships prepare for deployment as tension with China rises, 21.07.2013.

[9]   Vgl. Ders.: Abe open to talks with China but no concessions on Senkakus, 28.09.2013; China says it is ready to talk if Japan admits isles are disputed, 22.09.2013; China trying to strengthen its claim to Okinawa, 20.05.2013, China distances itself from claim it owns Okinawa, 03.06.2013.

[10]   Vgl. Ders.: Chinese Internet users call for action against Japan, 27.11.2013.

[11]   Vgl. Taiwan Today: AsiaNews reports East China Sea peace initiative. Ministry of Foreign Affairs, Republic of China (Taiwan), Taipei 15.10.2012.
https://taiwantoday.tw/news.php?unit=2&post=2693 (13.07.2021)

[12]  Vgl. Japan Today: Abe says he won’t tolerate China island challenge, 23.02.2013; Abe vows to expel by force any Chinese landing on disputed isles, 23.04.2013; U.S. stands by Japan on island dispute with China, 19.01.2013.

[13]  Vgl. Ders.: Abe, Obama discuss importance of alliance, 18.12.2012; Kerry says U.S. will protect Japan from N Korean threats, 15.04.2013; U.S. Senate OKs amendment backing Japan in Senkaku dispute, 01.12.2012; Japan, U.S. begin joint island-retaking drill, 12.06.2013.

[14]  Vgl. Kolar, Stefan: Sino-Japanese Relations and the Potential for Militarised Conflict in the Twenty-First Century. In: Vienna Journal of East Asian Studies. Volume 9, Rudiger Frank, Ina Hein, Lukas Pokorny, and Agnes Schick-Chen (Hrsg.), Prae-sens Verlag, Wien 2017, S. 121–166. https://doi.org/10.2478/vjeas-2017-0005.

[15]  Vgl. Japan Today: China sets air defense zone over area containing disputed islands, 23.11.2013; U.S. vows to defend Japan after China announces new air zone, 24.11.2013; Japan warns of unpredictable events over China’s new air zone, 25.11.2013.