Japanische Adressen

Japanische Adressen – ein Geheimcode?

Wer eine japanische Adresse sieht, wird vielleicht das Gefühl haben, einen Geheimcode vor sich zu haben. Eine Adresse in Japan zu finden setzt voraus, dass man das Adresssystem versteht. Denn selbst wenn diese Adressen in lateinischer Umschrift wiedergegeben sind, macht es das Auffinden auch nicht leichter. Das liegt insbesondere daran, dass in Japan wenige Straßen Namen haben. Die sind nur großen Alleen oder Avenuen vorbehalten. Darüber hinaus haben nur Stadtteile, Bezirke und Viertel noch Namen, die aber bei der Adressierung eine Rolle spielen.
Hinter den recht langen und teils kryptisch anmutenden japanischen Adressangaben verbirgt sich dennoch ein recht logisches, wenn auch nicht gerade einfaches System.
Da stellt sich natürlich die Frage, warum die Japaner nicht Adressen wie wir haben. Das hat mit der Entstehungsgeschichte des Verwaltungssystems zu tun. Was es mit japanischen Adressen, jūsho genannt, auf sich hat, ist nachfolgend erläutert.

Entstehung des japanischen Adresssystems

In der Meiji-Ära (1868–1912) wurde das feudale Japan zum Industriestaat modernisiert. Die Regierung strukturierte die einstigen Lehen zu Präfekturen nach französischem Vorbild um. Die Präfekturen bestehen aus Groß- oder Kreisstädten sowie ländlichen Distrikten und diese aus Dörfern. Die Großstädte wiederum aus Stadtbezirken und Stadtteilen. Die Regierung erfasste Grundstücke zur Besteuerung und teilte diesen als Parzellen Nummern zu. Diese Nummern wurden mit der Zeit wie Anschriften behandelt.
In den 1960ern wurde die Gliederung von Stadtteilen reformiert, da das Meiji-zeitliche System der Parzellierung mit dem Wachstum der Städte Probleme aufwarf. Die Nummerierung bei der Aufteilung von Parzellen wurde komplizierter. Die Einteilung in Bezirke und Stadtteile wurde beibehalten und diese weiterhin in traditionelle Viertel unterteilt. Jedoch lösten besonders im städtischen Bereich Blöcke die Parzellen ab, die durch Straßen, Kanäle und andere natürliche Hindernisse voneinander abgegrenzt sind (Abb. 2).

Bezeichnungen der Verwaltungs- u. Gebietseinheiten

Japanische Adressangaben nennen erst die größte und zuletzt die kleinste Verwaltungs- und Gebietseinheit (Abb. 3). Neben den hier aufgeführten Adressbestandteilen, die Standardbezeichnungen sind, gibt es noch einige Zusätze. Diese spezifizieren im Detail die Adressangabe, wenn es z. B. um eine Wohnungsnummer oder ein bestimmtes Stockwerk usw. geht (siehe Tab.).

Japanische Verwaltungseinheiten in Adressen
Tab.: Japanische Verwaltungs- und Gebietseinheiten sowie Zusätze, wie sie teils in japanischen Adressen vorkommen.

Ausnahmen bei Bezeichnungen und Zahlen

Von einigen der oben aufgeführten Bezeichnungen (Tab.) gibt es regionale Abweichungen. Diese gehen auf Verwaltungssysteme aus dem Altertum zurück. Gerade in Städten der eher ländlich geprägten Präfekturen kann dies vorkommen.
Z. B. in der alten Kaiserstadt Kyōto gibt es mehr Straßen mit Namen. Daher geben die Einwohner gerne Straßennamen an oder beziehen sich auf solche als Orientierungspunkte in Adressangaben. Auch Abkürzungen von bekannten Ortsangaben sind populär. Post und Behörden akzeptieren das.
In Nord-Kyūshū kommt es vor, dass Stadtbezirke statt ~ku als ~kumi bezeichnet werden[1]. Und im Westen Mittel-Honshūs werden Viertel (chōme) auch bu genannt. Sie werden nicht mit Zahlen, sondern mit Silben des i-ro-ha versehen. Regional werden auch zur Nummerierung der Blöcke (banchi) statt Zahlen die Zeichen der 10 Himmelsstämme benutzt, jikkan genannt. Dies sind Zeichen des chinesischen Kalenders.

Zahlencodes und ihre Bedeutung

Japanische Adressen benutzen Zahlencodes, die recht kompliziert wirken. Dahinter verbirgt sich jedoch eine durchaus logisches System. Schließlich wollen täglich Mengen an Briefen, Päckchen und Paketen zu ihren Empfängern. Außerdem kann es nicht sein, dass nur japanische Briefträger Adressangaben verstehen.

Japanische Postleitzahlen

Eine japanische Postleitzahl ist durch das vorangestellte Zeichen 〒 erkennbar. Die ersten drei Ziffern vor dem Bindestrich geben die Präfektur und die Stadt an. So stehen z. B. die 210 bis 259 für die Präfektur Kanagawa und dort eine bestimmte Stadt. Die 220 ist die Postleitzahl für die Präfekturhauptstadt Yokohama. Die vier Ziffern nach dem Bindestrich geben in der Stadt einen Stadtbezirk und in diesem einen Stadtteil an. Nehmen wir hier einmal die 0012, die Yokohamas Bezirk Nishi meint und im Bezirk den Stadtteil Minato-Mirai (siehe Karte).

Karte der Postalischen Gliederung der Präfektur Kanagawa
Karte: Die Karte zeigt die Aufgliederung der Präfektur Kanagawa gemäß der japanischen Post.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie die Ziffern der Postleitzahlen zu verstehen sind (Abb. 1). Für den Laien ist es jedoch nur schwer auszumachen, welche Information genau ein japanischer Postleitzahlencode beinhaltet. Was das genau bedeutet, ist am fiktiven Beispiel unten verdeutlicht[2]:

Japanische Postleitzahlen
Abb. 1: Verschiedene Informationen in japanischen Postleitzahlencodes.

Besondere Postleitzahlen

In manchen Fällen hat die Japanische Post besondere Postleitzahlen für bestimmte Gebäude vergeben, meist bei Hochhäusern. Weil in diesen befinden sich mehrere Büros, Firmen oder Geschäfte, die eindeutig unterscheidbar sein müssen. Nehmen wir als Beispiel Minato-Mirai und dort den Landmark Tower. Dieses 73-stöckige Hochhaus ist mit seinen 296 m ein Wahrzeichen der Stadt und des Bezirks Nishi. Dessen Postleitzahl lautet 220-0012. Im Landmark Tower befindet sich das renommierte Royal Park Hotel. Dieses wurde zur Identifizierung mit 220-8173 versehen. Obwohl es im Landmark Tower (…-0012) ist, erhielt es diese Postleitzahl, um von diversen anderen, gewerblich genutzten Einheiten unterscheidbar zu sein[3]. Und die letzten vier Ziffern enthalten noch eine besondere Information: die –81 steht für einen bestimmten Teil des Gebäudes und die 73 für das Stockwerk. Merkwürdigerweise ist die –8173 aber weder im Internet noch auf der Website der japanischen Post zu finden. Dennoch kommen Briefe beim Hotel an.

Stadtviertel, Block, Gebäude

Um die städtische Flurgliederung zu veranschaulichen, bleiben wir beim Stadtteil Minato-Mirai in Yokohama, dem Landmark Tower und dem Royal Park Hotel (Abb. 2). Der Landmark Tower befindet sich also im Stadtteil Minato-Mirai des Stadtbezirks Nishi. Dort steht er im Bezirk 2 (chōme), im Block 2 (banchi), Parzelle/Hausnumemr 1 (gō), also Minato-Mirai 2-2-1.
Das Hotel aber, hat noch einen Zusatz. Die Ziffer 3, die für das Hotel als Immobilienobjekt Nr. 3 im Gebäude steht. Daher Minato-Mirai 2-2-1-3[3].

Yokohamas Stadtteil Minato-Mirai
Abb. 2: 3D Luftaufnahme von Yokohamas Stadtteil Minato-Mirai im Bezirk Nishi. Die verschiedenfarbigen Linien geben die Unterteilung in die Viertel und Blöcke an.

Japanische Schreibweise japanischer Adressen

Bei japanischen Adressen ist die Reihenfolge der Angaben im Vergleich zu Europa umgekehrt. Auf Postkarten, Briefen oder Pakten wird i. d. R. mit der Postleitzahl des Empfängers begonnen. Es folgen Präfektur, Stadtpräfektur oder Provinz. Dann die Stadt mit Stadtbezirk (und dem untergeordneten Teil des Stadtbezirks, wenn vorhanden). Schließlich noch das Viertel, der Block und die Hausnummer.
Nehmen wir also an, wir schreiben an das Royal Park Hotel im Landmark Tower in Yokohama. Auf Japanisch schreibt man diese Adresse wie folgt (Abb. 3):

Japanische Schreibweise von japanischen Adressen
Abb. 3: Erläuterung der japanischen Schreibweise japanischer Adressen.

Es gibt auch gewisse Variationen bei der japanischen Schreibweise von Adressen (Abb. 4). Diese beziehen sich dann auf die Stellung/Reihenfolge von gewissen Angaben.

Variationen bei der Schreibweise von Adressen
Abb. 4: Variationen bei der japanischen Schreibweise japanischer Adressen.

Adressierung bei Versand aus dem Ausland

Wie adressiert man einen Brief, der aus dem Ausland nach Japan gesendet wird? Wer sich bei der Adressierung nicht sicher ist, kann auf bereits empfangene Briefe aus Japan schauen. Ist ein japanischer Absender zufällig auch der Empfänger, übernimmt man die Adresse einfach, wenn sie in lateinischer Schrift angegeben ist. Kennt man den Empfängernamen, aber die genaue Adresse nicht, dann lohnt meist eine Suche im Internet. Personen des öffentlichen Lebens, bekannte Firmen, Behörden und viele öffentliche Einrichtungen haben heutzutage auch auf Englisch verfügbare Websites. Dort gibt es eine Adressangabe.

Hat man alle Adressdaten, dann kann die folgende Schreibweise genutzt werden, in romanisiertem Japanisch (rōmaji). Hier das Beispiel von oben[4]:

Royal Park HotelNachname, Vorname (auch Behörde, Firma o. ä.)
Landmark TowerName des Gebäudes (sofern vorhanden)
Minato-Mirai 2-2-1-3Stadtteilname, Viertel, Block und Gebäude (Nr.)
Nishi-ku, Yokohama-shiBezirk und Stadt
Kanagawa-kenPräfektur
220-8173
Japan
PLZ
Land*
Romanisierte Adressierung für einen Empfänger in Japan. * Die Landesbezeichnung ist nur notwendig, wenn der Brief aus dem Ausland nach Japan gesendet wird.

Japanische Begriffe und Schriftzeichen

Bu 部 (w. Abschnitt, Teil)

I-ro-ha イ・ロ・ハ (i-ro-ha): Ein altes Gedicht, das alle 50 Moren/Silben der japanischen Sprache einmal verwendet.

Jikkan 十干 (10 Himmelsstämme)

Jūsho 住所 (w. Lebensort)

Kumi/gumi 組 (w. Gruppe, Paar, Klasse)

Rōmaji ローマ字 (lateinische Zeichen, Buchstaben)

Quellen

[1]   Vgl. 臼杵市: 届出・登録・証明 > 住民基本台帳 > 住所について. (abgerufen 28.08.2021)

[2] Vgl. UPU: Japan Postcode. Union Postale Universelle, Institution der Vereinten Nationen. (abgerufen 13.09.2021)

[3]   Information der Abteilung für Marketing des Royal Park Hotels Yokohama, Japan. (vom 09.09.2021)

[4]   Vgl. J-POST: How to write the address and name. Japan Post 日本郵便. (abgerufen 27.10.2014)