Menschlicher Einfluss

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Mensch und Natur

Obwohl die Japaner ein Volk sind, das nach Harmonie mit der Natur strebt, hat menschlicher Einfluss an der Flora und Fauna seine Spuren hinterlassen. In früherer Zeit zollten die Menschen auf dem Archipel den Geistern im Wasser, in den Bäumen, Tieren und sogar Felsen und Bergen Respekt. Heute ist dieser Respekt in Japan nicht verschwunden, auch wenn das Verhältnis der Menschen zur Natur in vielen Bereichen schwierig oder gar respektlos erscheinen mag. Ein durch menschlichen Einfluss geschaffenes Probleme ist der Klimawandel.

Unnatürliche Veränderungen

Eine Folge des Klimawandels in Japan ist z. B., dass bestimmte Pflanzen und Tiere sich in für sie untypischen Regionen ausbreiten. Denn die Erwärmung nördlicher Regionen bietet nun neue Lebensräume für Spezies, die sonst nur im Süden vorkamen. Diese Veränderungen müssen nicht unbedingt negativ sein. Jedoch können sie auch zu Problemen führen. Dann muss der Mensch eingreifen, weil z. B. der japanische Wolf, einst der einzige natürliche Fressfeind vieler Wildtierarten, schon vor Jahrzehnten in der freien Wildbahn ausgerottet wurde.

Menschlicher Einfluss auf die Fauna

Die vorangegangenen Beschreibung gab einen ersten Eindruck vom Effekt der klimatischen Umweltveränderung, als unmittelbarer Folge menschlichen Einflusses. Ebenso, inwieweit in der Natur menschliches Eingreifen nötig ist.
Hier möchte ich weiter Beispiele anführen, die die Problematik veranschaulichen. Es geht um die nicht selten gefährliche Begegnung von Menschen mit Wildtieren.

Ärger mit Bären

In den Jahren 2012 und 2013 z. B. kam es zu mehreren Zwischenfällen mit Bären. Am 6. Oktober 2012 wurde ein Schwarzbär (Abb. 1) mitten in der Stadt Nagano gemeldet, der sich eine Weile im Stadtinneren tummelte. Die örtliche Polizei machte sich mit Jägern auf die Suche nach dem Tier und erlegte es schließlich an einem nahegelegenen Flussufer. Nur einen Tag später wurden am Stadtrand von Jōetsu in der Nachbarpräfektur Niigata gleich zwei Angriffe von Bären auf Menschen gemeldet. In dieser Gegend war dies zuvor noch nie vorgekommen. Die Angegriffenen kamen mit ein paar Verletzungen davon. Im Mai 2013 erschreckte ein Bär Schüler in Kanazawa in der Präfektur Ishikawa, als er plötzlich im Schulgebäude auftauchte. Herbeigerufene Jäger erschossen das Tier. Die Polizei berichtete, dass es in der Gegend seit Jahresbeginn bereits 24 Sichtungen von Bären gegeben hatte[1].

Abbildung eines japanischen Schwarzbären
Abb. 1: Japanischer Schwarz- oder Kragenbär in einem Zoo.

Auch in der Tōhoku-Region im Norden Honshūs kamen solche Fälle vermehrt vor. Ebenfalls im Mai 2013 wurde ein 78-Jähriger in der Präfektur Fukushima vermisst und später im Wald, wo er vermutlich Pilze suchen wollte, tot aufgefunden. Die Verletzungen wiesen auf einen Bären hin. Verstärkt wurde der Verdacht dadurch, dass die Suchmannschaft selbst in der Nähe angegriffen wurde. In Hanamaki, einem sehr ländlichen Gebiet in der Präfektur Iwate, wurden an einem Juni Wochenende gleich vier Bärenangriffe gemeldet. Die Behörden gaben für das Gebiet eine Warnung heraus[2]. In den Jahren zwischen 1999 und 2009 kam es in Japan zu 1.600 Zwischenfällen mit Kragenbären.

Marodierende Schweine

Nach den Bären sind die Wildschweine auf Platz zwei der tierischen Problemverursacher. So wurden im Oktober 2012 z. B. ein Junge und ein älterer Mann von einem Keiler in der Präfektur Ehime auf der Insel Shikoku angegriffen, was sich als nur ein Fall innerhalb einer ganzen Serie von Angriffen herausstellte[3]. Die Schweine sind auch eine Plage für die Landwirte, weil sie in Gemüsegärten und auf Feldern nach Essbarem im Boden stöbern und dazu das Erdreich völlig durchwühlen.

Affen erobern die Stadt

Umweltveränderungen in Japan führten dazu, dass die sonst scheuen Makaken aus den Bergwäldern in die nahegelegenen Städte kommen.
In der Präfektur Miyazaki (Insel Kyūshū) warnten im September 2013 die lokalen Behörden vor herumstreifenden Makaken (Abb. 2), die in der Stadt Hyūga ihr Unwesen trieben und auch Menschen angriffen.
In der Präfektur Shizuoka (Insel Honshū) hat ein Makak sich einen Spaß mit der Polizei erlaubt, nachdem er sich Zutritt ins Gebäude der Präfekturverwaltung verschafft hatte. Die herbeigerufenen Polizisten versuchten dann den Primaten einzufangen, der sie erst durch das Treppenhaus 21 Stockwerke nach oben und dann auf der Feuerleiter wieder nach unten führte. Die Beamten waren nun mal nicht so fit und gewandt wie der Affe, der ihnen zudem einheizte, als er in die Enge getrieben zum Gegenangriff überging[4].

Menschlicher Einfluss drängt Makaken in die Städte
Abb. 2: Ein Makak auf dem Dach des Geheges im Arashiyama Monkey Park.

Die Makaken in bestimmten Teilen Japans zeigen eine unnatürliche Veränderung ihres Verhaltens, weil sie begriffen haben, dass Menschen und ihre Häuser wie Selbstbedienungsläden sind. Dabei können sie als Bande erstaunlich taktisch vorgehen. Beispielsweise teilen sie sich in zwei Gruppen auf. Während eine die Bewohner vor dem Haus ablenkt, plündert die andere über den Hintereingang die Küche.
Es ist nur schwer vorzustellen, was sich Makaken in solchen Momenten denken. Vielleicht erscheinen ihnen die Menschen als etwas einfältige Affen, die es nicht anders verdient haben, dass man sie ausraubt. Quasi eine gerechte Strafe für den durch sie begangenen Raubbau an der Natur und dem Lebensraum der Affen.

Ärger mit Krähen

Der eigentliche Ärger über die Krähen (Abb. 3) kommt dadurch, dass sie Nahrungskonkurrenten für andere Tiere sind. Sie plündern alles, was sie kriegen können, Hunde- und Katzenfutter aus Fressnäpfen, Süßigkeiten von Kleinkindern oder das Futter von Kleintieren aus den Freiluftgehegen des Zoos. Weil in der Großstadt für den Nestbau wenig natürliches Nistmaterial vorhanden ist, nehmen sie Antennen, Drahtbügel, Schaumstoffe und Plastik. Da sie auch die Isolierungen der überirdisch verlegten Strom- und Internetkabel lösen, kommt es immer wieder zu Störungen oder Ausfällen des Netzes. In bestimmten Vierteln musste der Hausmüll mit Netzen gesichert und das Füttern der Vögel verboten werden.
Aufgestellte Fallen und das Beseitigen von Nestern half nichts. Denn Tōkyō ist eine Großstadt und da fällt es leicht, einfach in ein anderes Viertel umzuziehen, was die schlauen Vögel prompt taten. Beobachtungen zufolge bauen sie sogar falsche Nester, um die Menschen von den echten abzulenken, während sie ungestört die Brut aufziehen.

Menschlicher Einfluss macht Städte für Krähen attraktiv
Abb. 3: Eine neugierige Krähe auf einem Hausdach in Japan.

Lästige Götterboten

Negativer menschlicher Einfluss zeigt sich auch in Nara. Eigentlich ein spiritueller Ort, der berühmt für seine Schreine und Tempel ist. Dort wurde im Jahre 768 der Kasuga-taisha (Kasuga-Großschrein) gegründet. Einer Legende nach, erschien dann ein weißer Hirsch als Bote der Götter am Heiligtum. Ob wahr oder nicht, jedenfalls werden seitdem die Hirsche in Nara verehrt.
Früher wurden sie durch Anfüttern aus den umliegenden Wäldern in die Stadt gelockt (Abb. 4). Weil sie sich in den Parkanlagen rund um die Tempel und Schreine breit gemacht haben, müssen mittlerweile dort die Bäume vor den gefräßigen Tieren mit Maschendraht geschützt werden.
Die Hirsche haben fast jede Scheu vor den Menschen verloren und belagern regelrecht alle, die nach etwas Essbaren riechen oder es konkret anbieten. Die Tiere bewegen sich inzwischen völlig ungezwungen in der Stadt. Dabei fressen sie auch gerne mal die ausgelegte Ware der Gemüse- und Obsthändler. Im jetzigen Umfang wird dies in Nara noch toleriert.

Menschlicher Einfluss: Öffentliche Fütterung von sika-Hirsche in Nara
Abb. 4: Bedienstete der Stadt Nara rufen sika-Hirsche zur Fütterung mit einem Horn aus dem Wald.

Folgen der Umweltveränderungen

Menschlicher Einfluss hat ohne jeden Zweifel Umweltveränderungen hervorgerufen. Welche das im Einzelnen sind und welche Folgen sie haben, das wird noch Erforscht. Allerdings sind die oben aufgeführten Fallbeispiele ein Beweis für Veränderungen.
Somit ist derzeit an erster Stelle die Veränderung des Klimas zu nennen. Diese hat schließlich Folgen für die Flora und Fauna.

Ursachen für Angriffe von Bär

Was in Japan die Bären zu Angriffen auf Menschen veranlasste, ist noch nicht völlig klar. Es gibt aber verschiedene Vermutungen.
Einerseits sieht man die Ausweitung urbaner Gebiete als Grund. Denn hierdurch schrumpft der Lebensraum der Bären. Folglich gibt es eine steigende Zahl an Bär-Mensch Begegnungen. Andererseits kann eine Nahrungsknappheit die Bären dazu verleiten Siedlungen aufzusuchen, weil sie von Gerüchen angelockt werden.
Viele dieser Begegnungen nehmen kein gutes Ende, am häufigsten für die Bären.

Ursachen für marodierende Affen

Die durch den menschen verursachte Klimaveränderung, so schient es, hat auch bei den Affen in Japan das Verhalten verändert. Denn 2013 blieben einige der sonst üblichen Regenfälle aus. Demzufolge kam es zu einem unüblichen Wassermangel im Sommer. Jedenfalls vermuten Forscher dies als Grund dafür, dass die Makaken in die Stadt kamen. Und wenn die Affen die Vorteile menschlicher Infrastruktur erkannt haben, dann wird man sie nicht mehr so einfach los. Abschreckung funktioniert bei den cleveren Affen nur bedingt, sodass eine Zufütterung in der Wildnis in Zeiten der Knappheit nötig wird.

Ursachen der Überpopulation an Hirschen

Bei den Hirschen ist es ebenfalls das Klima. Untersuchungen zufolge gibt es in Japan seit Kurzem regionale Überpopulationen an Hirschen, weil es eine Reihe von untypisch warmen Wintern gab. Dies begünstigte die Vermehrung der Hirsche und Erschließung neuer Waldgebiete. Dort schädigen die Tiere das Unterholz und Baumbestände. Forscher haben die negativen Auswirkungen auf andere Spezies in solchen Regionen untersucht. Demzufolge, sind bis hinab auf die Ebene der Insekten (z. B. Spinnen usw.) empfindliche Beeinträchtigungen festzustellen[5].
Menschlicher Einfluss war es, der die Hirsche in Nara zum Problem gemacht hatten. Die wilden Artgenossen hingegen erfordern menschliche Regulierung der Population, die sonst die Flora schädigt und das natürliche Gleichgewicht stört.
In ganz Japan ist der rasante Anstieg der Hirschpopulation ein ökologisches und dadurch ökonomisches Problem geworden, das landesweit zuletzt zu Schäden in Höhe von 56 Mio. € führte.

Maßnahmen gegen die Überpopulation

Und wieder ist es menschlicher Einfluss, der korrigierend eingreifen muss. So wurde auf politischer Ebene beschlossene, dass bis etwa 2023 die aktuelle Hirschpopulation des Landes von ca. 3,2 Mio. Tieren auf die Hälfte durch Bejagung reduziert werden soll[6]. Die Artgenossen in Nara sind davon zwar ausgenommen, da sie eine Touristenattraktion und daher von nicht minder wirtschaftlicher Bedeutung sind. Jedoch beklagten Landwirte in der Umgebung Naras Schäden. Deswegen hatten sich die Behörden 2017 für die Tötung von 120 Tieren in Nara entschlossen. Dies gegen den Protest vieler Bürger und einheimischer Umweltorganisationen[7].

Quellen

[1]   Vgl. Japan Today: 2 people attacked by bear in Niigata, 07.10.2012; 11 bear sightings reported in Nagano City, 06.10.2012; Bear shot dead after entering school in Ishikawa, 17.05.2013.

[2]   Vgl. Japan Today: Mountain search party attacked by bear; missing man found dead, 29.05.2013; Iwate town on alert following series of bear attacks, 17.06.2013.

[3]   Vgl. Japan Today: Boar attacks boy, man in Ehime, 23.10.2012.

[4]   Vgl. Japan Today: Residents warned of macaques on the rampage in Miyazaki, 01.09.2013; Marauding monkey evades Shizuoka police in downtown chase, 26.09.2013.

[5]   Vgl. Deuel, Nicholas: Can deer influence spiders? All Wildlife Considered, USA January 27, 2013 (15.01.2014).

[6]   Vgl. Braun, Lukas: Japans Fauna auf Rückeroberungskurs. 電気瓦版 Denki kawaraban – Die Infoseite für Japan-Fans, Berlin 2013 (05.02.2014).
Vgl. Die Welt: Japaner machen Jagd auf Rehe, 15.12.2013.

[7]   Vgl. Japan Today: Nara begins deer culling program, 08.08.2017.

Bildquellen

Abb. 1 (Schwarzbär) Bildquelle: pixabay.com; Bildautor: 7103983, Juli 2018.

Abb. 2. (Makak) Bildquelle: pixabay.com; Bildautor: Michelle_Raponi, Juni 2016.

Abb. 3 (Krähe) Bildquelle: pixabay.com; Bildautor: offthetrackjapan, Februar 2019.

Abb. 4 (Hirsche) Bildquelle: pixabay.com; Bildautor: candicelin, März 2016.