Homogenes Volk?

Vorweg

Einleitend möchte ich auf eine Sache hinweisen. Einige der hier aufgeführten Aspekte überschneiden sich mit Inhalten anderer Bereiche der Website. Falls notwendig oder Sinnvoll, verweise ich dann per Link auf diese als weiterführende Inhalte.
Überdies bitte ich, klar zu unterscheiden, wenn hier vom Volk die Rede ist, während ein anderer Inhalt die Bevölkerung Japans behandelt. Volk und Bevölkerung sind nicht das Selbe!

Was ist ethnische Homogenität?

Sind die Japaner ein homogenes Volk? Eine nicht unerhebliche Frage, weil sie viel damit zu tun hat, wie sich die Japaner selbst sehen. Ebenso, wie sie von anderen gesehen werden.
Doch erst zur Begriffsklärung.
Das griechische Wort „ethnos“ bedeutet „Volk, Stamm“. Und „homogenos“ etwa „von gleicher Beschaffenheit“. Somit beschreibt „ethnische Homogenität“ die Gleichheit von Menschen oder Gruppen. Diese Gleichheit wäre vom genetischen, damit auch physiologischen oder physiognomischen, sowie dem sozialen, sprachlichen, religiösen und damit kulturellen Aspekt her zu betrachten. Einfach ausgedrückt, könnte man auch von engster Verwandtschaft zwischen Individuen oder Gruppen sprechen, die an den zuvor genannten Aspekten zu untersuchen und zu beweisen wäre.

Japanische Sichtweise

Bemerkenswert ist die Beharrlichkeit, mit der sich die Japaner selbst als homogenes Volk sehen. Oder sehen wollen. Denn im Vergleich mit anderen Völkern erscheinen sie zumindest homogen. Schließlich sind z. B. die Chinesen ein Volk, das sich aus 56 Volksgruppen zusammensetzt[1]. Hingegen mögen dieJapaner zwar homogener sein, aber sicher nicht absolut homogen. Somit ist dies sachlich betrachtet nichts weiter als ein Mythos. Aber wozu?

Politische Ziele

Politisch wurde diese Auffassung bewusst spätestens in der zweiten Hälfte des 19. Jh. gefördert. Damals befand sich das Kaiserreich in einer Phase der rapiden Modernisierung vom Feudalstaat zur Industrienation. Dabei lag den Reformern daran einen starken sozialen Zusammenhalt zu schaffen, der die Menschen für politische Ziele zu mobilisieren vermochte. Dieser Zusammenhalt war und ist eine der Stärken der japanischen Nation[2].
Der Verfassungsrechtler Uesugi Shinkichi (1878 – 1929) ist hier von besonderer Bedeutung. Er formulierte die Theorie des minzoku-kokka, des Nationalstaates[3]. Denn diesen sah er als Idealform des Staates an, in dem alle die gleiche Volkszugehörigkeit haben. Schließlich ist das die Basis für den Nationalstaat. Genauso betrachtete er diesen als die natürlichste Form eines Staates überhaupt. Und dessen Verwirklichung als das primäre Ziel eines (homogenen) Volkes.

Realität vs. Ideal

Obwohl der Nationalstaat auch im Westen als Ideal galt, konnte er in der Realität nicht immer verwirklicht werden. Das liegt daran, dass die Bevölkerung fast aller existierenden Staaten, dass Staatsvolk, seit jeher auch Einflüssen fremder Völker unterlag. Diese haben sich genetisch und kulturell über Grenzen hinweg verschieden stark eingebracht. Demzufolge ist das, was heute so selbstverständlich als japanische Nation angesehen wird, ethnisch eher eine Mischung teils verschiedener Abstammung, Mythen und Bräuche. Erst durch einen Anpassungsprozess ist mit der Zeit daraus eine Kultur und schließlich auch ein Volk geformt worden.
Das heißt aber auch, dass nicht selten der Nationalstaat über ethnische oder kulturelle Unterschiede hinweg erzwungen wurde. Anders ausgedrückt: Was nicht gleich ist, wird gleich gemacht. China ist dafür ein Beispiel, mit einer Dominanz der Volksgruppe der Han.

Volk aus Einwanderern

Geht man der Frage nach, ob die Japaner ein homogenes Volkes sind, dann muss also die Einwanderung genauer betrachtet werden.
Die japanischen Inseln sind seit mindestens 30.000 Jahren bewohnt. Hierbei spielt die Erdgeschichte eine Rolle, denn es existierten einst zwei Landbrücken. Eine verband Sibirien mit Hokkaidō, die andere Süd-Honshū und Kyūshū mit Korea.
Folglich wanderten die ersten Siedler aus Sibirien über die Kurilen-Inseln ein. Dann kamen in einer weiteren Einwanderungswelle Stämme aus dem Westen (heutiges China) über Korea nach Kyūshū. Die Nordstämme unterschieden sich von den westlichen. Die Nachfahren der Nordstämme, die Ainu, sind der Beweis für einen kaukasisch anmutenden Einflusses. Außerdem waren die nördlichen Siedler kulturell und sprachlich ein eigenständiges Volk. Genauso die aus dem Westen. Die Siedler aus dem Westen gründeten ein Reich namens Yamato, um das heutige Nara. Deshalb spricht man auch von den Yamato-Japanern[4]. (mehr hierzu)

Weitere Einwanderung

Neben den Hauptinseln des Archipels wurden die Nansei-Inseln (Nansei-shotō) in einer weiteren Welle aus zwei Richtungen besiedelt. Das heißt, ab etwa 6000 v. Chr. die südlichen Nansei-Inseln über das heutige Taiwan und etwa um 2000 v. Chr. die nördlichen von Kyūshū aus. Hierdurch bildeten sich zwei Kulturen aus, von denen jedoch nur eine nachweislich in Verbindung mit der Yayoi-Kultur der japanischen Hauptinseln stand.
Dann gab es noch weitere Einwanderungen auf die japanischen Inseln aus dem heutigen Indonesien und Malaysia. Sogar polynesische Einflüsse werden vermutet, die sich nach Meinung von Linguisten besonders in der japanischen Sprache wiederfinden. Also machen sich diese verschiedenen Einflüsse bis heute in sprachlicher, kultureller und genetischer Form mehr oder minder bemerkbar. Letzteres erklärt auch physiognomische Unterschiede unter Japanern im Nordosten und Südwesten des Landes.

Waschbär oder Fuchs?

Sind die Japaner dann überhaupt ein homogenes Volk? Nachdem zuvor die Herkunft betrachtet wurde, können auch die Unterschiede in der Physiologie und Physiognomie herangezogen werden. Denn hier gibt es zwei Typen, denen bestimmte, unterscheidbare Merkmale zugeordnet werden: Waschbär und Fuchs.
Symbolisch steht der Waschbär für Personen mit breiter Taille, kurzen Beinen und relativ flachem Gesicht. Hingegen der Fuchs für Schlanke von größerer Statur, mit hoher Stirn und definierten Nasen. Ein weiteres Indiz, das den Einfluss verschiedener Gene offenbart, sind der Hautton sowie die Augen- und Haarfarbe. Beispielsweise kann die Haut zwischen sehr hell bis zu sonnengebräunt reichen. Ebenso die Augenfarbe, die von dunkelbraun bis hellbraun schwankt. Schließlich das Haar, das von schwarz bis dunkelbrünett reicht und Unterschiede in der Struktur aufweisen kann. Außerdem variiert die Körperbehaarung[5]. All diese unterscheidbaren Merkmale begegnen einem heute in ganz Japan und unterscheiden sich auf regionaler Ebene.
Folglich sind die Japaner kein wirklich homogenes Volk.

Quellen

[1]   Vgl. 刘泽彭 (主任): 中国地理常识 (中徳照対)。国务院侨务办公室, 国家汉语国际推广领导小组办公室, 高等教育出版社, 中华人民共和国 北京 2007, S. 8f. (Liu Zepeng (Direktor): Allgemeine Kenntnisse der chinesischen Geographie (Chinesisch-Deutsch). The Overseas Chinese Affairs Office of the State Council & Higher Education Press, Peking, Volksrepublik China. 2007,)

[2]   Vgl. Ladstätter, Otto u. Linhart, Sepp: China und Japan – Die Kulturen Ostasiens. Verlag Carl Ueberreuter, Wien u. Heidelberg 1983, S. 255. Vgl. Tasker, Peter: Japan von innen – Macht und Reichtum eines neuen Wirtschaftsimperiums. Wilhelm Heyne Verlag, München 1988, S. 38.

[3]   Vgl. Skya, Walter A.: The Emperor, Shintō Ultranationalismus and Mass Mobilization. In Antoni, Klaus et al. (Hg.): Religion and Nationality in the Japanese context. BUNKA – Tübinger interkulturelle und linguistischen Japanstudien/Tuebingen intercultural and linguistic studies on Japan, Bd./Vol. 5, LIT Verlag, Münster 2002, S. 242.

[4]   Vgl. Collcutt, Martin et al.: Bildatlas der Weltkulturen – Japan. Bechtermünz Verlag im Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 1997, S. 34ff.

[5]   Vgl. Tasker, 1988, S. 26.