Nara-Zeitalter

Das Nara-Zeitalter

Das Nara-Zeitalter, auf Japanisch Nara-jidai (710 – 784) genannt, hat seinen Namen von der heutigen Stadt Nara. Geografisch und historisch hat das eigentliche japanische Kaisertum hier seinen Beginn. Zwar ist die Grundlage für die Entstehung des Kaiserreichs im Yamato-Staat geschaffen worden, aber im Yamato-Zeitalter war die Macht noch unter den vielen Adelsfamilien, den uji, umkämpft. Das Reich organisierte sich nach chinesischem Vorbild.
Im Nara-Zeitalter konzentrierten sich Einfluss und Macht in einem Adelsgeschlecht. Dieses konnte sich durch den shintō-Kult legitimieren.

Konsolidierung als Kaiserreich

Ständige innere Machtkämpfe verhinderten stets einen stabilen und starken Staat. Gemessen am Nachbarstaat China. Japanische Kaiser legitimierten sich zwar durch göttlichen Ursprung, bedurften aber ebenso des Konsens unter den uji. Erst deren Anerkennung der Herrschaft eines Adelsgeschlechts, brachte den nötigen Frieden, um ein Kaiserreich entstehen zu lassen. Die uji traten an das Kaiserhaus einen Teil ihrer Ländereien ab und erhielten im Gegenzug dafür Ämter und Titel am Hofe oder in den Provinzen. Die mächtigsten und loyalsten unter den uji wurden zum Hofadel. Eine neue Hauptstadt im Zentrum des Yamato-Kernlandes wurde errichtet und Heijō-kyō genannt.

Um die Herrschaft abzusichern, wurde ein Bund mit dem Himmel geschlossen, durch die Konstruktion einer genealogischen Verbindung des Kaisergeschlechts mit der Sonnengöttin. Spätestens von da an betrachteten die Herrscher ihre Herrschaft über den Verbund der uji als erbliches Amt und ein auf ewig übertragenes (himmlisches) Mandat.
Die göttliche Abstammung verlangte, dass Kaiser/innen zu obersten shintō-Priestern wurden. Sie nahmen nun den bis heute gebräuchlichen Titel tennō (w. himmlische/r Herrscher/in) an. Dies verdeutlichte ihren politischen und mythologischen Anspruch auf das Herrscheramt.

Die Eckpfeiler des Reichs


Trotz der deutlichen Anlehnung an das Staatswesen des chinesischen Reichs, strebten die japanischen Herrscher immer mehr danach, ihren Staat nach eigenen Vorstellungen zu organisieren. Dazu wurde das ritsuryō-sei (Straf-, Verwaltungs- und Zivilrecht) eingeführt. Dieses System von Strafgesetzen und Verwaltungsverordnungen richtete sich zwar wieder nach chinesischem Vorbild, nicht jedoch ohne Veränderungen der chinesischen Staatsphilosophie vorzunehmen, um sie an die japanischen Bedürfnisse anzupassen.

Shintoismus und Buddhismus

Zu jener Zeit war der Buddhismus noch nicht stark verbreitet. Tatsächlich hat erst einmal der Hofadel sich der während der Asuka-Periode etablierten, fremden Religion zugewandt. Dies mag auch daran gelegen haben, dass es unter den Hofadeligen genügend Personen gab, die inzwischen der chinesischen Schrift und Sprache mächtig waren. Einflussreiche Tempel entstanden (Abb. 1).
Das ländliche Volk, abseits von Heijō-kyō, verehrte noch immer die alten kami, die Gottheiten ihrer Vorfahren. In Schreinen verehrte man die Götter (Abb. 2). Der Buddhismus hatte sich noch nicht bis in die entlegenen Winkel des Reichs ausbreiten können. Es sollte aber nicht mehr lange dauern, dass buddhistische Kleriker auch in diese Regionen kamen, um dort Tempel zu gründen und die Heilsbotschaft Buddhas zu lehren.

Abbildung des Hauptgebäude des Tōdai-ji 東大寺
Abb. 1: Hauptgebäude des Tōdai-ji 東大寺 (Großtempel des Ostens) in der Stadt Nara. Ursprünglich 752 erbaut, nach mehreren Bränden erneuert. Bildquelle: pixabay.com; Bildautor: yoshid.
Abblidung des Izumo-taisha 出雲大社 (Großschreins von Izumo)
Abb. 2: Außenbereich des Izumo-taisha 出雲大社 (Großschreins von Izumo), Stadt Izumo, Präfektur Shimane. Das ursprüngliche Gründungs- und Baujahr sind unbekannt. © JNTO.

Staatswesen im Nara-Zeitalter

Das reformierte Staatswesen führte zur Einteilung des erschlossenen Reichsgebietes im Rahmen des kokugunri-sei (w. System der Länder, Distrikte und Nachbarschaften). Die kuni oder koku (w. Länder) waren Provinzen, die in gun(Distrikte) unterteilt wurden. Innerhalb dieser fasste man je 50 Haushalte zusammen, die als ri (Nachbarschaft) bezeichnet wurden.
Um die Macht der Kaiserhauses zu stärken, verwaltete die Regierung das Reich im Prinzip direkt und zentral. Jedoch kam die Regierung nicht ohne Distriktvorsteher aus. Staatlich ernannte Gouverneure kontrollierten diese. Die Gouverneure wurden hierarchisch in drei größere Gruppen aufgeteilt, mit von oben nach unten abnehmenden Vergünstigungen und Privilegien. Über den Gouverneuren standen wiederum die Minister verschiedener Ressorts, und darüber direkt die kaiserliche Familie. Die Verwaltung war ein großer Beamtenapparat mit vielen Ebenen und Titeln, die vom Kaiser vergeben wurden und unterschiedlich viel Einfluss auf die Landespolitik gewährten.

Eliten im Nara-Zeitalter

Der Kaiser und sein ihm dienender Beamtenapparat stellten die hohe Aristokratie im Reich dar. Dazu kamen die Hofadeligen in der Hauptstadt Heijō-kyō (später Nara). Diese waren meist nahe Blutsverwandte des Kaiserhauses oder Angeheiratete.
Der Buddhismus, der in der Asuka-Periode in Japan Einzug hielt, fand recht rasch neue Anhänger unter den Aristokraten. Diese wurden aus religiöser Überzeugung Mäzene der verschiedenen Denkschulen des Buddhismus. Mächtige Tempel entstanden, die ihrerseits einflussreich wurden. Der buddhistische Klerus stellte im Nara-Zeitalter eine neue und einflussreiche Elite dar, welche die Nähe zur kaiserlichen Regierung suchte.

Bau der Hauptstadt

Während des Nara-Zeitalters herrschte in China die Tang-Dynastie (618 – 907). Und so diente die Hauptstadt der Tang, Chang’an gennant, als Vorbild für Heijō-kyō. Typisch hierfür waren Alleen mit einer Nord-Süd Achse und einer Ost-West Achse. Für alle vier Himmelsrichtungen gab es je ein großes Portal, das den Beginn des Stadtareals dahinter markierte. Alle Straßen und Viertel waren einem Schachbrettmuster folgend angelegt. Die Viertel waren nach Ständen geordnet. Die Hauptstraßen liefen auf den Palast als einem zentralen Bereich zu.

Militär und Expansion

Während die Reform der Verwaltung glückte, schienen andere politische Veränderungen weniger erfolgreich. So z. B. die Aufstellung eines stehenden Heeres. Zuvor rekrutierte die Regierung aus der einfachen Bevölkerung Männer und verpflichtete diese zum Dienst nach Bedarf. In Friedenszeiten gingen diese Männer wieder ihren zivilen Tätigkeiten nach. Damit waren sie keine professionellen Soldaten. Ein stehendes Heer sollte mehr Kampfkraft aufweisen. Allerdings mussten die Soldaten in diesem Heer selbst für Ausrüstung und Proviant sorgen. Die Dienstpflicht konnte aber durch Zahlung umgangen werden. Sie war unpopulär und die Truppe undiszipliniert. Dennoch reichte die Kampfkraft aus, um das Territorium zu expandieren, vor allem in den Nordosten, wo widerspenstige Barbaren lebten, die Ainu bzw. Emishi. Mehrfach unternahm das Reich Feldzüge zu deren Unterwerfung.

Japanische Begriffe und Schriftzeichen

Ainu/Emishi アイヌ / 夷 (w. Barbaren)

Heijō-kyō 平城京 (w. Friedensburg Hauptstadt)

Kokugunri-sei 国郡里制 (System der Länder, Distrikte und Nachbarschaften)

Nara 奈良
Nara-jidai 奈良時代 (Nara-Zeitalter)

Ritsuryō-sei 律令制 (Straf-, Verwaltungs- und Zivilrecht)

Tennō 天皇(w. himmlische/r Herrscher/in)

Uji 氏 (Familie, Sippe)

Quellen

Vgl. Hall, John Whitney: Das Japanische Kaiserreich, Fischer Taschenbuch Verlag, Fischer Weltgeschichte, Bd. 20, 2009, S. 55 u. 66.

Vgl. Kodansha: Japan – An Illustrated Encyclopedia Vol. 2, Kodansha Publishing, Tokyo 1993, S. 1049, 1051ff.