Jōmon-Zeitalter

Was ist das Jōmon-Zeitalter?

Das Jōmon-Zeitalter, auf Japanisch als Jōmon-jidai bezeichnet, stellt den Anfang der Ausbildung menschlicher Kultur auf den japanischen Inseln dar. Keramikgefäße und Figuren belegen diese Entwicklung. Weitere archäologische Funde zeigen, wie sich die Besiedlung und Ausbreitung der Menschen auf den japanischen Inseln in jener Zeit abspielte. Ebenso lassen sie Rückschlüsse auf die Lebensweise der Menschen zu jener Zeit zu.

Unklarheiten über das Jōmon-Zeitalter

Trotz archäologischer Funde sind sich Wissenschaftler über einige Aspekte der Jōmon-Kultur noch uneinig. So ist z. B. die genaue zeitliche Eingrenzung noch umstritten und wird von manchen in den Zeitraum von etwa 11.000 bzw. 7.000 oder 3.000 v. Chr. bis ins 5. oder 3. Jh. v. Chr. gelegt[1]. Keramikfunde, hier besonders der dogū (siehe Bild 2), von Hokkaidō bis Kyūshū und sogar auf einigen der näher liegenden kleinen Inseln, lassen den Schluss zu, dass die Jōmon-Kultur weit verbreitet war. Viele japanische Wissenschaftler sehen dies als Beleg, dass das heutige Japan schon zu jener Zeit ein einheitlicher Kulturraum war. Andere glauben, dass der Siedlungsraum diverse Gemeinschaften hervorbrachte. Vermutlich haben sie sich sprachlich und durch eine spezifische Stammeskultur voneinander unterschieden.

Dabei fällt auf, dass sich damals noch keine großen, stadtähnliche Siedlungen oder Zentren bildeten. Man nimmt an, dass die für die landwirtschaftlich Nutzung relativ schwierige Topografie des japanischen Archipels der Grund hierfür war. Das bedeutet auch, dass es regionale Eliten gab, die nur über bestimmte Gebiete und Gruppen herrschten[2].

Kulturelle Entwicklung im Jōmon-Zeitalter

Keramikfunde belegen das handwerkliche und technische Können der Siedler, die als die Vorfahren der heutigen Japaner zu betrachten sind. Recht kunstvoll geformte Gefäße wurden aus Tonstreifen gefertigt, über deren Oberfläche eine geflochtene Strohschnur gerollt wurde. Dies ergab ein typisches Muster und wurde zum Namensgeber der Keramik, Jōmon (Strohschnurdekor, Abb. 1), und des Zeitalters. Diese Technik wurde wahrscheinlich von den nördlichen Stämmen übernommen, den Vorfahren der Ainu oder Emishi, und im gesamten Siedlungsgebiet verbreitet. Die Wissenschaft ist sich nicht darüber einig, ob es sich bei den Ainu und Emishi, Letztere auch als Ebisu oder Ezo bezeichnet, um zwei verschiedene Stämme handelte oder ob eine enge Verwandtschaft bestand.

Abbildung eines Tongefäßes des Jomon-Zeitalters
Abb. 1: Tongefäß des Jōmon-Zeitalters (3500 – 2500 v. Chr.) aus gebranntem Ton. Maße: 33 cm hoch. Bildquelle: Metropolitan Museum of Art, New York.

Frühe religiöse Vorstellungen

Die Glaubenswelt der Jäger und Sammler jener Zeit war animistisch geprägt. Das heißt, die Natur und die von ihr ausgehenden Kräfte wurden als göttlich verehrt. Rituelle Opfergaben sollten diese Kräfte den Menschen gewogen stimmen. Auch der Glaube an eine Muttergottheit hatte sich entwickelt, die als Symbol der Fruchtbarkeit gedeutet wird. Sie wurde durch Figuren verkörpert (Abb. 2), die als dogū (w. Erdfigur, irdene Figur) bezeichnet werden. Jedoch war all das eher ein Kult als eine organisierte und dogmatische Religion. Elemente dieses Kults leben in mythischen Geschichten und Ritualen des japanischen Volksglaubens bis in die Gegenwart fort.

Abbildung einer dogu-Figur des Jōmon-Zeitalters
Abb. 2: Obere Hälfte eines dogū aus dem späten Jōmon-Zeitalter (1000 – 300 v. Chr.) aus gebranntem Ton. Fundort: Tōhoku-Region. Maße: 16,5 x 16,2 x 7,9 cm. Bildquelle: Metropolitan Museum of Art, New York.

Wie lebten die Jōmon-Menschen?

Die Menschen bewohnten im Jōmon-Zeitalter ein ausgedehntes Gebiet, das von Kamtschatka bis nach Okinawa reichte. Auch Sachalin, die Kurilen-Inseln und Hokkaidō bis etwa nach Zentral-Honshū reichte. Die frühesten archäologischen Überreste von Dörfern werden auf die Zeit zwischen 3500 und 2000 v. Chr. datiert. Zwei Gebäudetypen wurden rekonstruiert: in niedrige Gruben eingelassene Hütten, mit rechteckigem oder ovalem Grundriss. Beide waren wohl mit Stroh gedeckt[3] .

Die Dörfer waren i. d. R. durch Palisaden geschützt, was auf kriegerische Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden Stämmen in jener Zeit hindeutet. Die Nahrungsgrundlage bildeten die Jagd, das Fischen und Sammeln von Früchten.
Die Siedler des japanischen Archipels erlernten von mongolischen und sibirischen Stämmen das Töpfern. Der Einfluss vom Festland reichte aber geografisch noch viel weiter. Archäologische Keramikfunde in der Region des Baltikums weisen verblüffende Gemeinsamkeiten in Form und Verzierung mit Funden früher Jōmon-Keramik auf, sodass bisher angenommen wird, dass diese Kunstform von dort tatsächlich über Sibirien bis auf die japanischen Inseln gelangte. Dies spricht auch für den kulturellen Einfluss über große Distanzen schon zu jener Zeit und den Austausch mit dem asiatischen Festland. Hokkaidō und die Tōhoku-Region entwickelten sich zum geographischen Zentrum der Jōmon-Kultur.

Fortschritt durch Ackerbau

Zu den bedeutenden Entwicklungen gehörte sicher die Einführung des Ackerbaus 1600 v. Chr. Dieser wurde wahrscheinlich aus dem antiken China eingeführt. Die Vorfahren der heutigen Japaner bauten wahrscheinlich Hirse und Gerste als Grundnahrungsmittel an. Aus einer Gesellschaft der Jäger und Sammler wurde nun eine Ackerbaugesellschaft.
Etwa 600 Jahre später kam auch der Reisanbau aus China nach Japan. Diesen betrieb man anfangs noch auf Trockenfeldern. Erst einige Zeit später ist der Anbau auf gefluteten Nassfeldern auch auf den japanischen Inseln eingeführt worden. Damit vollzog sich ein kultureller Wandel, weil mit der neuen Anbaumethode nicht nur neue Werkzeuge ins Land kamen, sondern auch neue religiöse Riten. Der Reisanbau veränderte auch das gesellschaftliche Leben. Denn die Anbaumethode in Nassfeldern war nur in gemeinsamer Anstrengung eines Dorfes zu bewältigen. Das bedeutet auch, dass die bis heute stark ausgeprägte Gruppenmentalität der Japaner hierin teils ihren Ursprung hat.

Das Verschwinden der Jōmon-Menschen

Auf Betrachter wirken die modernen Japaner als Volk sehr homogen. Zumindest der äußeren Erscheinung nach geurteilt: Mandelförmige Augen, eine stets braune Iris, flache Nasen, dickes, schwarzes Haar und eine kleinere Statur als z. B. bei einem Europäer. Tatsächlich haben wir es aber mit einer recht interessanten Mischung an Genen zu tun. Die Jōmon-Menschen stellen nur einen Teil des Genpools, wenn auch einen sehr speziellen.
Dieser Pool sollte durch Stämme vom asiatischen Festland verändert werden, die erst nach den Jōmon-Menschen auf die japanischen Inseln einwanderten und ein mächtiges Reich gründeten.

Verdrängung durch Einwanderer

Die Jōmon-Menschen unterschieden sich äußerlich von später eingewanderten Menschen des Yayoi-Zeitalters (3. Jh. v. Chr. – 250 n. Chr., siehe Abb. 3). Anhand von Schädeln und Genmaterial des Jōmon-Zeitalters konnten Wissenschaftler Gesichter rekonstruieren. Diese zeigen kantig anmutende Gesichtszüge und einen deutlich stärkeren Haarwuchs (wahrscheinlich auch mehr Körperbehaarung). Dies waren markante Merkmale der Jōmon-Menschen. Heute findet man solche Merkmale noch bei den Ainu. Diese stellen eine kulturell und sprachlich eigenständige Ethnie in Japan dar. Jedenfalls drücken sich die genetischen Unterschiede auch physiognomisch aus, sodass heute zwischen Nord-, Mittel- und Südjapanern differenziert werden kann. Es gibt Variationen bei Größe, Körperbau, Behaarung und Hautton (siehe Abb. 3).

Abbildung eines Jomon- und Yayoi-Menschen
Abb. 3: Physiognomische Unterschiede zwischen Jōmon- und eingewanderten Yayoi-Menschen, den Vorfahren der modernen Japaner.

Assimilationsprozess

Die Jōmon-Menschen, unmittelbare Vorfahren der Ainu, unterschieden sich also äußerlich von den anderen, später eingewanderten Menschen des Yayoi-Zeitalters. Die im Yayoi-Zeitalter aus der Mongolei und China über Korea eingewanderten Siedler ließen sich in Nord-Kyūshū , Shikoku und Süd-Honshū nieder. Sie stellten sich als dominante Kultur heraus, weil sie verdrängten die Ainu zwischen dem 3. und 10. Jh. aus ihrem Siedlungsgebiet gen Norden. Ein Schicksal vieler indigener Völker in der Welt, die durch Einwanderung, Unterdrückung, eingeschleppt Krankheiten und die genetische Assimilation dezimiert wurden oder gar verschwanden.

Ethnische Vermischung

Die Ainu werden als die unmittelbaren Nachfahren der Jōmon-Menschen betrachtet. Dafür sprechen auch Genanalysen. Ainu sind zwar genetisch als Ostasiaten anzusehen, zeigen aber kaukasische Züge (z. B. stärkerer Bartwuchs und Körperbehaarung, ausgeprägtere Augenbrauen). Sie ähneln damit den frühen Jōmon-Menschen am ehesten (siehe Abb. 3). Wie sehr dies heute noch zutrifft, das hängt natürlich auch vom Grad der genetischen Vermischung ab. Denn genetisch reine Ainu sind in Japan inzwischen eine kleine Minderheit. Erst im 19. Jh. wurden die Ainu gezielt assimiliert sowie sprachlich und kulturell unterdrückt. Daher sind es heute eher die Kultur und Sprache, durch die sie sich noch als eigenständige Ethnie auszeichnen.
Die verschiedene Herkunft der frühen Einwanderer ist heute noch anhand gewisser physiologischer wie physiognomischer Unterschiede unter den Japanern aus verschiedenen Landesteilen zu erkennen, auch wenn es in der Zeit der Reichsbildung sicher bereits zur teilweisen Vermischung unter den Bewohnern der Inseln kam.

Japanische Begriffe und Schriftzeichen

Ainu アイヌ (Mensch; Ureinwohner Japans)

Dogū 土偶 (w. Erdfigur, irdene Figur)

Emishi 蝦夷 oder 戎 bzw. 戉 (Barbaren; Menschen, die nicht zum Volk der Yamato gehören)

Ebisu 夷 oder 戎 (Barbaren; andere Bezeichnung für Emishi)

Ezo/Yezo 夷 oder 戎 (Barbaren; Yezo ist eine alte Bezeichnung für Hokkaidō)

Jōmon-jidai 縄文時代 (Strohbanddekor-Zeitalter)

Quellen

[1] Vgl. Hammitzsch, Horst (Hg.): Japan-Handbuch. Land und Leute, Kultur- und Geistesleben. 3. Aufl., 1990, Sp. 275-278. Vgl. Kreiner, Josef (Hg.): Kleine Geschichte Japans. Verlag Philipp Reclam jun. GmbH &Co. KG, Stuttgart 2010, S. 28.

[2] Vgl. Egami, Namio: The Beginnings of Japanese Art. 1978, S. 9f, 64–67. Vgl. Kreiner, J. (Hg.): Kleine Geschichte Japans. 2010, S. 31ff.

[3] Vgl. Young, David u. Michiko: The art of Japanese architecture. Architecture and interior design , illustraited and revised edition, Tuttle Publishing, Rutland & Tokyo 2007, S. 24.