Rassismus in Japan

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Sind Japaner Rassisten?

Sind Japaner Rassisten? Diese Frage ist mir über die Jahre oft gestellt worden. Dabei haben einige der Fragenden eine rassistische Erfahrung mit Japanern gemacht oder meinen dies zumindest. Oder sie waren sich nicht sicher, ob es sich um Rassismus handelte oder doch eher um Xenophobie. Daher müsste man sich eher fragen, ob Japaner wirklich rassistisch oder doch nur xenophob sind? Vielleicht sogar beides? Und gilt das auch für die Mehrheit der Bevölkerung, sodass es verallgemeinert werden kann?
Um dies zu beantworten, möchte ich zuerst die Begriffe näher betrachten.

Rassismus und Xenophobie

Die Wissenschaft definiert Rassismus als eine Sichtweise Einzelner oder Gruppen, die denken, dass Menschen, die äußerlich oder kulturell nicht wie sie selbst sind, minderwertig sein. Diese Sichtweise geht weit in die Menschheitsgeschichte zurück. Dazu gehört auch, dass Völker versucht haben, die Einwanderung Fremder und fremde kulturelle Einflüsse in ihren Gebieten zu verhindern. Daraus entstand der absurde Glaube, sie sein von „reinem Blut“, also genetisch wie kulturell “rein”.
Ein ähnlicher Begriff bzw. einer, der mit dem Rassismus oft einhergeht, ist die Xenophobie oder Angst vor dem Fremden bzw. Fremdenfeindlichkeit. Sie äußert sich in der Ablehnung all jener, die nicht dem eigenen Volk oder der eigenen Kultur angehören und deren Andersartigkeit man überdies als Bedrohung ansieht.

Fehlwahrnehmung

Japaner sind zwar in der Regel höflich und freundlich, aber Fremden gegenüber meist doch zurückhaltend oder schüchtern. Wenn Ausländer in Japan aber gelegentlich irgendeine Form der Ablehnung oder Ausgrenzung erfahren, dann vermuten sie oft eine Art der Xenophobie, wenn nicht sogar Rassismus dahinter. Allerdings hat dieses Verhalten gegenüber Fremden oft mit anderen Dingen zu tun, als mit Rassismus oder Xenophobie.
Weil im Grunde genommen sind die Japaner durchaus an neuen und fremden Dingen interessiert. Auch an Menschen aus anderen Kulturen oder Ländern. Denn in der japanischen Geschichte gab es immer wieder die Einwanderung vom benachbarten Festland sowie die Aufnahme fremder Kultur. Gleichzeitig gibt es aber auch das Gegenteil, als Japan sich von der Außenwelt vom 17. bis ins 19. Jh. abschottete.
Somit existiert Rassismus in Japan zwar, jedoch kann dies längst nicht für alle Japaner pauschalisiert werden. Warum das so ist, dass zeigen die folgenden Punkte.

Rassismus und Ausländer

Angaben des JTB* zufolge, haben zwischen Januar und November 2023 etwas über 22,3 Mio. Auslandstouristen Japan besucht[1]. Das heißt, dass Ausländer zunehmend Interesse an dem angeblich so verschlossenen Japan zeigten. Und die Behörden tun dort einiges, damit der Tourismus sogar zunimmt. Weil inzwischen ist dieser eine bedeutende Einnahmequelle. 2019 betrugen die Einnahmen aus dem Tourismus ca. 95 Mrd. €[2]. Da behindern Rassismus und Xenophobie unnötig das Geschäft mit den Touristen.
Trotzdem gibt es immer wieder Fälle, in denen ausländische Touristen im Umgang mit einigen Japanern auch negative Erfahrungen gemacht haben. Deren ablehnenden Reaktionen deuteten sie entweder als offenen Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit. Möglicherweise wird eines davon das Motiv für deren ablehnendes oder zumindest unhöfliches Verhalten gewesen sein. Außerdem haben in Japan lebende und arbeitende Ausländer ebenso gemischte Erfahrungen gemacht.

* Japan Travel Bureau: Japans führende Institution in der Tourismusbranche

Rassistisches Gedankengut

Sicherlich wünschen sich manche Japaner, dass ihre Regierung keine Ausländer mehr ins Land ließe. Die Ausländer, die z. B. aus beruflichen Gründen längerfristig im Land sind, empfinden diese Japaner als etwas, dass die gesellschaftliche Harmonie stört. Dabei steigt die Zahl der permanent in Japan lebenden Ausländer stetig. Allerdings sind dies auf prognostizierte 123,3 Mio. Gesamtbevölkerung gerade mal 3,4 Mio. Ausländern, die lächerliche 2,75% ausmachen[3]. Trotzdem sehen manche Japaner dadurch die eigene Kultur und Identität bedroht. Demnach ist eine multikulturelle Gesellschaft nicht deren Idealvorstellung, was durchaus als Rassismus oder zumindest Xenophobie gewertet werden kann.

Rechtsradikale

Wer sich mit Rassismus in Japan beschäftigt, kommt an den uyoku nicht vorbei, weil sie lautstark von Bussen und Kleintransportern aus ihr nationalistisches Gedankengut über Megaphone brüllen.
Was sie fordern ist simpel: Der Kaiser soll wieder Staatsoberhaupt werden; die Regierung mit Gewalt, die von anderen Nationen unrechtmäßig besetzten Gebiete Japans wieder eingliedern und ein Stolzes und militärisch starkes Japan aufbauen. Denn Japan ist durch seine Geschichte und das Kaiserhaus bestimmt zu herrschen.
Obwohl die Mehrheit der Japaner die uyoku toleriert, finden sie deren aggressives und lautstarkes Auftreten doch sehr nervig. Ohnehin teilen die meisten nicht deren schlicht idiotisch nationalistischen Ansichten. Trotzdem steigt die Mitgliederzahl der uyoku. Das hat mit der aktuellen politischen Lage in und um Japan zu tun. Denn manche Japaner empfinden sich inzwischen durch China, Russland und Nordkorea bedroht und wünschen sich ein stärkeres Japan.

Video: Lautstarke Prozession von uyoku in Tōkyō, 2019

Fälle von Xenophobie und Rassismus in Japan

Folgend möchte ich an ein paar Fallbeispielen erläutern, wie sich Rassismus in Japan oder Xenophobie in der japanischen Gesellschaft äußern sowie wo oder wann und wieso sie auftreten.

Fall 1: Das Sprachproblem

Viel öfter als politisch motivierter Radikalismus wird jedoch eine Xenophobie der Japaner Grund sein, dass Ausländer sich nicht willkommen fühlen. Beispielsweise dann, wenn diese Hilfe suchen. Die Enttäuschung ist groß, wenn Japaner Hilfe suchende Ausländer ignorieren oder recht unfreundlich abweisen. Denn viele Ausländer nehmen an, dass fast alle Japaner etwas Englisch können.
Obwohl Japaner bis zu sechs Jahre Schulenglisch lernen, zielt der Unterricht nicht darauf ab, dass die Schüler später Englisch sprechen können. Daher will niemand vor einem Ausländer offenbaren, dass die eigenen Englischkenntnisse zu schlecht sind, um z. B. nur eine simple Frage zu beantworten. (Siehe auch: Japaner und Fremdsprachen)

Fall 2: Japanese only!

Immer wieder tauchen Schilder in Geschäften, Restaurants und Bars auf, die darauf hinweisen, dass man hier keine Ausländer bedient. Das auf Japanisch oder teils schlechtem Englisch. Das Auslandstouristen solche Schilder auf Japanisch nicht verstehen, das kam den Urhebern dabei anscheinend nicht in den Sinn.
Jedenfalls entbrannte eine hitzige Diskussion über Rassismus und Xenophobie, nachdem solche Schilder im Internet gepostet wurden. In Japan lebende Ausländer und Japaner stritten, ob so offene Fremdenfeindlichkeit tolerierbar sei. Dabei wurde oft nicht hinterfragt, warum die Dienstleister das getan haben. Häufig ist auch hier die Angst groß, sich zu blamieren. Weil, wenn es nur eine japanische Speisekarte gibt und der Restaurantbetreiber selbst kaum Englisch spricht, wird es schwierig, einem ausländischen Gast alles auf Englisch zu erklären. Besonders, wenn dieser die Speisen nicht kennt und Fragen hat. Da ist es doch besser, man erspart sich und dem Gast diese Peinlichkeit und lässt ihn erst gar nicht herein.

Fall 3: Kontaktangst

Viele Japaner legen eine vorsichtige Zurückhaltung gegenüber Fremden an den Tag. Neugierig sind sie aber trotzdem. Dies verraten die heimlichen Blicke, weil das unverhohlene Starren auf Menschen als unhöflich gilt. Hingegen zeigt sich offene Angst dann, wenn sich z. B. in der S- oder U-Bahn niemand neben einen Ausländer setzt, obwohl dies der letzte freie Platz ist. Viele Gedanken schießen Japanern dann durch den Kopf: Vielleicht hat diese Person eine ansteckende Krankheit. Wer weiß? Was soll man tun, wenn sie einen plötzlich anspricht? Kann sie überhaupt Japanisch? Und was tun, wenn man diese Person nicht versteht? Höflich lächeln oder lieber ignorieren? Und ist die Person zudem von dunkler Hautfarbe, dann steigt das Unbehagen bei manchen Japanern beträchtlich. Grund hierfür sind meist eine mangelnde Kenntnis über andere Kulturen und Vorurteile.

Fall 4: Ausgegrenzte Inländer

In Japan leben ethnische Koreaner, Chinesen und die Ureinwohner Japans, die Ainu. Sie erleben immer wieder Rassismus in Japan. Während die Ainu vom Staat per se als Japaner angesehen werden, ist es den schon teils seit Generationen in Japan lebenden Koreanern und Chinesen freigestellt, die japanische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Allerdings müssen sie dann auch einen japanischen Familiennamen annehmen. Trotzdem machen das Aussehen und ein japanischer Name Koreaner oder Chinesen noch nicht zu richtigen Japanern, wie manche Japaner meinen. Daher verschweigen viele Koreaner, Chinesen und Ainu ihre ethnische Herkunft lieber.
Das beginnt spätestens in der Schule. Denn hier werden immer wieder Fälle gemeldet, bei denen japanische Schüler ihre Mitschüler anderer ethnischer Herkunft ausgrenzen und verspotten. Staatliche Aufklärungskampagnen führten dazu, dass Lehrer und Eltern sensibilisiert wurden. Dennoch erfordert es Mut, wenn Schüler offen und stolz über ihre „andere“ Herkunft reden, dabei gleichzeitig von den japanischen Mitschülern als ebenbürtig anerkannt werden wollen. Folglich ein Fall von Rassismus und Xenophobie gleichermaßen.

Fall 4: Racial profiling

Im Januar 2024 klagten drei Ausländer indischer und pakistanischer Herkunft, wegen des sogenannten „racial profiling“ der japanischen Polizei. Denn alle drei Kläger leben seit über 10 Jahren in Japan, in denen sie aber bis zu 70 mal von der Polizei grundlos kontrolliert wurden. Die Anwälte der Kläger sehen eine Verstoß gegen Artikel 14 der Verfassung, der eine Diskriminierung aufgrund Rasse oder Herkunft verbietet. Ein schwerwiegender Vorwurf, den die Polizei aber nicht kommentieren wollte.
Einer Umfrage der Anwaltskammer Tōkyō von 2022 zufolge, bei der 2.000 Ausländer befragt wurden, gaben 60% an, ähnliches erlebt zu haben. Außerdem führten die Kläger als Beweis Schulungsmaterial für Polizeibeamte an, das zur Befragung/Kontrolle von Personen aufgrund des [ausländischen] Aussehens ermutige[4].

Hier dürfte es sich um Rassismus und Xenophobie handeln. Wobei dies durch eine unsinnige Annahme entsteht. Nämlich, dass Ausländer eher zu Straftaten neigen als Japaner. Jedoch zuverlässige Zahlen oder Studien hierzu gibt es nicht.
Übrigens, wer Probleme mit Japanern erlebt und seine Menschenrechte verletzt sieht, kann vom Justizministerium Hilfe erhalten.

Fall 5: Keine Wohnung für Ausländer

Ja, auch das kann passieren. Da zieht jemand nach Japan und sucht eine Wohnung. Dann findet er eine, bekommt sie aber nicht, weil der Vermieter sie nicht an Ausländer vermietet. Das passiert übrigens nicht nur dunkelhäutigen Ausländern, sondern auch Europäern und Amerikanern u. a.
Die Problematik solcher Fälle liegt dann darin begründet, dass die Betroffenen oft nicht erfahren, warum sie die Wohnung nicht bekamen. Denn ein Vermieter kann sich letztendlich aussuchen, an wen er vermietet oder nicht und wie er dies begründet. Oft ist es die Angst der Vermieter, dass Ausländer die japanischen Gepflogenheiten nicht kennen und sich nicht an Regeln halten. 

Fazit

Rassismus in Japan oder politischer Radikalismus sind einer noch immer kleinen Minderheit zuzuordnen oder vorzuwerfen. Hingegen gibt es durchaus eine politisch motivierte Fremdenfeindlichkeit gegenüber Chinesen, Russen und Koreanern. Bei letzteren macht es nochmal einen Unterschied, ob sie aus Nord- oder Südkorea stammen. Das hat mit der aktuell angespannten politischen Lage zwischen den Staaten zu tun. Vor allem haben die Japaner Angst vor der militärischen Bedrohung durch die Volksrepublik China, Russland und Nordkorea. Wenn Japaner also Fremde scheuen, ablehnen oder meiden, dann rührt dies bei der Mehrheit aus der Angst, beim Kontakt peinlichen Situationen oder einer öffentlichen Blamage ausgesetzt zu werden. Das Alter spielt hierbei eine gewisse Rolle, denn jüngere Menschen sind meist deutlich neugieriger und offener.

Quellen

[1] Vgl. JTB: Overseas Residents’ Visits to Japan, 13.02.2024.

[2] Vgl. Statista: Contribution of tourism to the gross domestic product (GDP) in Japan from 2012 to 2021, 13.02.2024.

[3] Vgl. Japan Today: Record 3.4 million foreign residents in japan as work visas rise, 23.03.2024.

[4] Vgl. 東京新聞:「外見を理由に職務質問された」外国にルーツ持つ男性ら抗議の提訴 20年余りで70回「家を 出たくない」、2024年1月29日。

Videos

Video Quelle: youtube.com. Autor: gregs randomshite, 2019.