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Allgemeines
Reisen mit Behinderung in Japan – geht das? Wer behindert oder durch Krankheit oder Operation in irgendeiner Weise eingeschränkt ist, kann trotzdem in Japan reisen. In der japanischen Harmoniegesellschaft versucht man Behinderte zu integrieren. Das zeigt auch das Gesetz zur Durchsetzung einer barrierefreien Infrastruktur. Dieses Gesetz wurde in den letzten Jahren gleich zweimal verbessert. Das musste sein, weil Japan das demografische Problem der Überalterung hat. Das heißt, Menschen mit altersbedingten Einschränkungen, die bspw. spezielle Sitz- oder Parkplätze, Fahrstühle und andere Hilfen benötigen, nehmen in der Gesellschaft überproportional zu. Anders ausgedrückt, erfordert die Situation in der Zukunft sogar eine noch stärkere Barrierefreiheit der Infrastruktur (Abb. 1).
Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer
Reisen mit Behinderung oder körperlichem Handicap, wie z. B. eingeschränkter Gehfähigkeit oder als Rollstuhlfahrer, ist in Japan durchaus möglich. Weil dort wird verstärkt darauf geachtet, dass öffentliche Einrichtungen für Behinderte zugänglicher werden. Dies gilt insbesondere für Flughäfen, 35% der Bahnhöfe, Hotels, viele Museen und Theater sowie Ämter oder öffentliche medizinische Einrichtungen. Auch manche historische Sehenswürdigkeiten wie Tempel, Schreine oder Burgen haben teils Fahrstühle installiert, die sich völlig unauffällig in die historische Gebäudestruktur einpassen. Hier gibt es neben Rampen auch Rolltreppen, Treppenlifts oder Fahrstühle und behindertengerechte Sanitäranlagen, die den Zugang erleichtern.
Da in Japan vieles kleiner und enger ist, sind schnell zerlegbare oder faltbare Rollstühle von Vorteil.
Bahnhöfe und Bahnen
Reisen mit Behinderung in Japan per Bahn, wie städtischen Straßen-, U- und S-Bahnen, ist möglich. Denn die sind überwiegend auch auf Rollstuhlfahrer eingestellt und bieten zumindest besondere Sitz- oder Stellplätze in Wagons an, die sogenannten Priority Seats oder yūsen-zaseki (Abb. 2).
Auch Bahnhöfe sind zunehmend behindertengerecht. In 96% der Bahnhöfe der Metropolregion Tōkyō git es inzwischen Fahrstühle, die aus den unter- und überirdischen Gängen zu den Bahnsteigen führen. Ebenso gibt es moderne Rolltreppen in den größeren Bahnhöfen. Diese können auch Rollstuhlfahrer befördern, weil sich bis zu 3 Stufen zu einer Plattform umstellen lassen.
Inzwischen sind in der Regel die Bahnsteigkanten und der Einstieg in Schnellzüge sowie S- und U-Bahnen auf gleicher Höhe. Zudem wurde die verbleibende Lücke dazwischen derart reduziert, sodass Rollstuhlfahrer selbstständig ein und aussteigen können. Falls nicht, dann helfen Bahnbedienstete mit mobilen Rampen aus.
Hingegen sind an abgelegenen ländlichen Bahnhöfen/Stationen der Regionalbahnen nur Treppen und Rampen üblich. Sofern es Treppenlifte gibt, müssen diese aber vom Bahnpersonal bedient werden.
Shinkansen
In Japans vorzüglichen Hochgeschwindigkeitszügen, den Shinkansen, gibt es keine wirklichen Einschränkungen für Behinderte. Allerdings sollte man zwischen einen Monat bis 2 Tage vor der Fahrt reservieren. In dafür vorgesehenen Wagons sind Zugang, Sitze und Toiletten behindertengerecht. In den neuesten Shinkansen sind Stellplätze vorhanden, auf denen Rollstühle abgestellt werden können (Abb. 1). Die Sitze daneben sind für die Nutzer. Sofern der eigene Rollstuhl zu groß für die Verbindungstüren und Gänge der Wagons ist, kann ein kompakter Rollstuhl im Zug zur Verfügung gestellt werden. Außerdem gibt es Abteile für einen Rollstuhlfahrer und zwei Begleitpersonen, wo die Sitzbank in eine Liege umfunktioniert werden kann.
Wer im Rollstuhl einen Shinkansen nutzt, sollte 15 min. vor der Abfahrt zum Bahnsteig kommen. Bedienstete der Bahn werden einen auch gerne dorthin begleiten. Der Einstieg ist leicht, wie oben beschrieben. Andernfalls werden Bahnbedienstete mit Hilfsmitteln assistieren. Wenn nötig, wird das Zugpersonal kurz vor Ankunft am Zielort dies auch dort per Anruf sicherstellen.
Taxis und Busse
Taxis sind in Japan ein gängiges Verkehrsmittel, wenn sonst keine Bahnen oder Busse verfügbar sind. Falls nötig, werden Fahrer Behinderten beim Einsteigen helfen, wenn z. B. keine Begleitperson dafür da ist.
Inzwischen gibt es im städtischen öffentlichen Personennahverkehr Japans auch Niederflurbusse. Diese sind auch auf Rollstuhlfahrer eingestellt und bieten ebenfalls besondere (Stell-)Plätze an. Hingegen befördern normale Linienbusse zwar auch Rollstuhlfahrer, was aber etwas schwieriger ist. Trotzdem sind die Fahrer oder Passagiere hilfsbereit, wenn behinderte beim ein- oder aussteigen Hilfe benötigen. Bei Fern- oder Reisebussen könnten jedoch die Toiletten ein Problem darstellen, weil diese nicht immer behindertengerecht ausgelegt sind oder sein können.
Fähren und Passagierschiffe
Wenn man Japan bereist, dann sollte man nicht vergessen, dass das Land ein ausgedehnter Archipel ist. Das heißt auch, dass manche der bewohnten und sehenswerten Inseln nicht per Zug oder Flugzeug erreichbar sind. Dann bleibt nur der Seeweg.
Auf den großen Autofähren und Passagierschiffen (Abb. 2) wird in allen wichtigen Bereichen für eine gewisse Barrierefreiheit gesorgt sein. Hingegen kann es auf eher kleinen Schiffen/Fähren vorkommen, dass bspw. keine Fahrstühle oder behindertengerechte Toiletten zur Verfügung stehen. Jedoch ist damit zu rechnen, dass das Personal oder Mitreisende bereit sind zu helfen, wenn es z. B. um das Überwinden von Treppen geht.
Sehbehinderte und Blinde
Auch auf Sehbehinderte oder Blinde wird in der japanischen Gesellschaft Rücksicht genommen. Im öffentlichen Raum weisen z. B. erhabene gelbe oder weiße Bodenmarkierungen, tenji-Block genannt (Abb. 3), Personen den Weg, die sich eines Blindenstocks bedienen. Damit können geriffelte und anders strukturierte Oberflächen wahrgenommen werden. Sie markieren bspw. den Rand des Gehwegs oder Bahnsteigs, einen Fußgängerüberweg, eine Ampel oder den Beginn einer Treppe, die Kanten von Stufen usw. Inzwischen sind die Bahnsteige in 82% der U-Bahnstationen Tōkyōs blindengerecht. Fußgängerampeln verfügen meist über akustische Signale, die anzeigen, ob man die Straße überqueren kann.
Braille-Schrift
An sich ist das Reisen mit Behinderung wie Blindheit durch die Braille-Schrift durchaus möglich. Denn es stehen Informationen auch in Braille-Schrift (Abb. 4 u. 5) zur Verfügung, tenji genannt. Allerdings bezieht sich tenji auf die japanische Sprache und entstand in Anlehnung an die kana, die japanischen Silbenzeichen. Somit ist die japanische Braille-Schrift eine eigene Form. Diese teilt nur die Interpunktion und Zahlen mit der internationalen Braille-Schrift. An touristisch strak frequentierten Orten und Einrichtungen ist Braille auch für Englisch und unter Umständen auch andere Sprachen verfügbar.
Allein oder mit Begleitung?
Dennoch kann auch für blinde Personen eine Japanreise durchaus ein Erlebnis sein, aber in Begleitung. Denn das urbane Japan unterscheidet sich in manchen Dingen vom heimischen Umfeld. Hier gibt es andere Hindernisse im öffentlichen Raum. Beispielsweise niedrige Türen, deren Höhe teils von den typischen noren (Vorhängen, Abb. 6) verdeckt wird. Oder die Betonmasten für Telefon und Stromkabel in den Straßen, die ein Problem sein können.
Ebenso gibt es in historischen Orten oder Straßen zwischen den Häuserfronten und den gepflasterten oder geteerten Wegen schmale Regenwasserkanäle. Diese dienen dazu, das überschüssige Regenwasser aufzunehmen und abzuführen. Vor Hauseingängen oder Grundstückszufahrten sind sie zwar abgedeckt (Abb. 6, rote Pfeile), aber abseits davon oft genug auch offen oder nur zum Teil abgedeckt (Abb. 7, rote Pfeile). Diese können nicht nur Rad- und Autofahrern zum Verhängnis werden, sondern auch Sehbehinderten.
Eine Begleitung für eine blinde oder sehbehinderte Person ist daher für eine Japanreise eine Überlegung wert, sofern sich vor Ort niemand im Vorfeld als Begleiter finden lässt. Das erhöht die Sicherheit bei Streifzügen durch Stadt und Land. Eine Alternative können aber auch Blindenhunde sein. Damit sind Reisen mit Behinderung dieser Art auch in Japan durchaus denkbar.
Blindenhunde
In Japan gibt es natürlich auch Blindenhunde und ein Gesetz, das strenge Standards für diese setzt und sie zertifiziert. Jedoch sind ausländische Blindenhunde nicht nach japanischen Standards zertifiziert. Deshalb werden sie in Japan an sich nicht anerkannt. Folglich bleibt ihnen der Zugang zu öffentlichen oder privaten Einrichtungen und Verkehrsmitteln verwehrt.
Allerdings gibt es anscheinend doch Wege, einen ausländischen Blindenhund nach Japan zu bringen. Die JGDA (Japan Guide Dog Association) hat das Problem ebenfalls erkannt und stellt befristete Ausweise für ausländische Blindenhunde aus. Jedoch muss der Blindenhund bei einem Mitglied der Organisation des Internationalen Blindenhundeverbandes ausgebildet worden sein.
Schließlich ist noch zu bedenken, dass der mitgeführte Blindenhund bestimmte Impfungen haben und bei Ankunft in Japan zuerst in Quarantäne muss (siehe auch “Weitere Tipps“, JGDA u. a.).
Andere Begleithunde
Für Reisen mit Behinderung anderer Art kann möglicherweise auch ein Begleithund (Abb. 8) nötig sein. Z. B. bei Epileptikern oder Kranken, bei denen sich jederzeit und unvorhersehbar Anfälle ereignen können. Im Westen sind inzwischen auch hierfür Begleithunde im Einsatz, die den Betroffenen durch den Alltag helfen, indem sie sich anbahnende Anfälle erkennen und den Betroffenen davor warnen. Doch leider bezieht sich das oben erwähnte japanische Gesetzt nur auf Blindenhunde! Für andere Begleithunde gibt es noch keine Möglichkeit, für deren Einreise eine Genehmigung zu erhalten.
Hörbehinderte und Gehörlose
Hörbehinderte und Gehörlose haben den Vorteil, dass man in Japan neben der japanischen Gebärdensprache auch die internationale nutzt. Selbst ohne Japanischkenntnisse ist die Kommunikation dadurch etwas leichter. Allerdings nur zwischen Hörbehinderten oder Gehörlosen und Übersetzern der Gebärdensprache. Zwar fehlt der Eindruck der akustischen Andersartigkeit Japans, wenn es um Musik, Sprache oder Klänge der Umwelt geht. Dafür erschließt sich die Vielfalt der Andersartigkeit im Visuellen. Die visuellen Eindrücke dürften sich aber ebenso stark vom gewohnten Bild unterscheiden.
Barrierefreie Hotels
Das Reisen mit Behinderung erfordert vor allem Barrierefreiheit im öffentlichen Raum. Deshalb sind in Japan Hotels (westlichen Stils) auch auf Gäste mit Behinderungen oder körperlichen Einschränkungen eingestellt. Das gilt zumindest für all diejenigen, die mehr als 50 Zimmer haben. Denn per Gesetz zur Barrierefreiheit müssen diese Hotels mindestens 1% an barrierefreien Zimmern haben. Große und namhafte Hotels werden dieser Auflage nachkommen. Auch die großen, renommierten japanischen Gasthäuser können dies bieten. Anders ist dies bei den meist kleinen und traditionellen Unterkünften/Herbergen. Diese haben in der Regel weniger Zimmer, die zudem traditionell eingerichtet sind, was auch für die Sanitäreinrichtungen (Toilette und Bad) gilt. Man sollte dies stets vorher prüfen.
Weitere Tipps
Es gibt verschiedene Webseiten, die Tipps für behinderte Reisende bieten:
- JNTO Japan National Tourism Organisation (Deutsch)
- Go Tokyo (Deutsch)
- Accessible Travel Japan (Englisch)
- Accessible Japan (Englisch)
Zum Thema Blindenhunde empfehle ich:
- JGDA, Japan Guide Dog Association (Englisch)
- TravelPaws, Nina Smith’s Website für Japanreisen mit Blindenhund (Englisch)
- Accessible Japan, ein Erfahrungsbericht der Australierin Nina Smith (Englisch)
- Daktari Animal Hospital, bei Fragen zum Quarantäneprozess (Englisch)
Japanische Begriffe und Schriftzeichen
- Yūsen-zaseki 優先座席 (w. Sitzplatz, vorzugsweise für Behinderte):
- Tenji 点字 (w. Punktezeichen): Japanische Braille-Schrift
- Tenji-burokku 点字ブロック (w. Punktezeichen-Block): erhabene gelbe Bodenmarkierung
- Kana 仮名 (w. scheinbare Namen): Japanische Silbenzeichen
- Noren 暖簾 (Wärmevorhang, Jalousie): meist kurzer, bedruckter Vorhang, oft in der Mitte in zwei Stoffbahnen gespalten, der vor einem Eingang mit Werbung bedruckt als Blickschutz oder Abschattung hängt