Japans Nationalflagge

Eine Göttin als Nationalflagge

Japans Nationalflagge, auf Japanisch kokki genannt, ist vergleichsweise simpel gestaltet. Ein weißer Hintergrund mit einem roten Kreis in der Mitte. Dieses Design wiederum nennen die Japaner hi no maru oder hinomaru (Sonnenkreis) oder nisshōki (Sonnenwappenbanner). Das Motiv ist religiös inspiriert. Denn hi no maru symbolisiert die Sonne und damit die Ahnherrin des Kaiserhauses, die Göttin Amaterasu.
1870 wurden die Maße der japanischen Nationalflagge amtlich festgelegt. Die Größe ist als Höhe zu Breite im Verhältnis von 2:3 definiert. Der rote Kreis muss genau in der Mitte sitzen und einen Durchmesser von ⅗ (drei Fünftel) der Höhe haben. Die Kreisfarbe ist ein Karmesinrot[1].

Flagge "hi no maru"
Abb. 1: Japanische Nationalflagge “hinomaru”. Die parlamentarische Ratifizierung der historischen Flagge als Nationalflagge erfolgte erst am 13. August 1999.

Legende von hi no maru

In verschiedenen japanischen Quellen wird berichtet, dass der einflussreiche buddhistische gelehrte Nichiren im 13. Jh. hinomaru in Form einer Flagge dem shōgun geschenkt haben soll. In den Jahren 1274 und 1281 versuchten die Mongolen, die zuvor China und Korea unter ihre Herrschaft brachten, von Korea aus mit einer Flotte Japan zu unterwerfen. Sie scheiterten beide Male, weil aufziehende Stürme ihre Invasionsflotte an der Küste Südjapans versenkten. Die Japaner sahen darin himmlische Fügung und nannten diese Stürme fortan kamikaze[2]. Es muss wohl die Intervention der Göttin Amaterasu gewesen sein, die schlimmeres verhinderte. Nichirens Geschenk, mit dem Symbol der Sonnengöttin, sollte dies versinnbildlichen. Trotzdem wurde es damals nicht Zeichen der Nation.

Konkurrenz der Symbole

Obwohl hi no maru religiöse Bedeutung hatte, sah man es im feudalen Japan vom 12. bis 19. Jh. nicht als ein Symbol für die Nation an. Manche Feudalfürsten des 15. und 16. Jh. zogen mit diesem vermeintlich Glück versprechenden Symbol auf ihren Standarten oder Rüstungen in den Krieg, nebst ihrem eigenen Familienwappen. Und zwischen 1603 und 1868 prangte das Wappen der Tokugawa auf Bannern in ganz Japan. Ein Zeichen ihrer allmächtigen Regierung. Selbst die Kaiser zogen es vor unter der goldenen Chrysantheme als Standarte durch das Reich zu reisen.
Neben dieser Vielzahl an konkurrierenden Symbolen gab es schlicht keine besondere Notwendigkeit, das Land durch ein einziges gemeinsames Zeichen nach außen zu repräsentieren, weil sich Japan kurz nach der Machtübernahme der Tokugawa von der Außenwelt isolierte. Die Flagge taucht dennoch auf japanischen Bildern aus dem späten 16. Jh. an Masten von Schiffen auf, die dem japanischen Überseehandel dienten.

Wozu einen Nationalflagge?

Die Notwendigkeit einer Nationalflagge entstand, als Japan sich 1854 unter dem Druck der Westmächte der Welt wieder öffnen musste. Schließlich besaßen alle mächtigen europäischen Nationen eine Flagge, an der man ihre Schiffe, Truppen und Vertretungen stets identifizieren konnte. Aber welches Symbol würde diese Funktion für Japan erfüllen und zukünftig eine Flagge zieren? Es musste etwas sein, das das Land, die Menschen, aber auch das Kaisertum darstellte. Etwas, das nicht zu kompliziert war, dafür aber einen hohen Wiedererkennungswert hatte. Man einigte sich auf hi no maru. So wurde das Sonnensymbol sozusagen zur Nationalflagge, obwohl sie nicht in der Verfassung Erwähnung fand. Trotzdem wurden ab 1870 alle japanischen Handelsschiffe mit hi no maru beflaggt. Ab 1872 hisste man die Flagge auch vor Regierungsgebäuden. Jedoch versäumte die Regierung es damals, hinomaru durch die Verfassung offiziellen Charakter zu verleihen[3].

Ungeliebte Nationalflagge Japans?

Vor 1999 kam es zu vereinzelten Protesten bei öffentlichen Flaggenzeremonien z. B. an Schulen. Manche Lehrer oder Schulleiter weigerten sich, dem feierlichen Akt beizuwohnen oder der Flagge Respekt zu zollen. Manche Japaner assoziieren diese Flagge mit Japans Imperialismus zwischen 1910 und 1945 und damals begangenen Gräueltaten.
Vor allem die Flaggen mit zusätzlichen Sonnenstrahlen für die damalige Kaiserlich Japanische Armee und Marine, rufen bis heute bei vielen älteren Menschen in Ost- und Südostasien gemischte Gefühle hervor (Abb. 4 u. 5). In Japan selbst gab es vereinzelt Widerstand gegen etwas, das nicht durch die Verfassung eindeutig geregelt war und schon dadurch keinen offiziellen Charakter haben konnte. Das Verhältnis der Mehrheit der Bevölkerung zur quasi Nationalflagge war aber entspannt. Für sie war sie das Symbol ihres Landes.

Viele waren sich dessen wohl auch nicht bewusst, dass ihre Flagge, die stolz an Flaggenmasten vor Gebäuden, auf Schiffen und bei öffentlichen Veranstaltungen im Wind flatterte, eigentlich keinen offiziellen Status gehabt hat, weil sie verfassungsrechtlich noch nicht ratifiziert war. Die Nutzung folgte eher einer Gewohnheit, die man zwar als amtlich betrachtete, auch wenn sie es nicht war.
Die japanische Nationalflagge hi no maru wurde erst am 13. August 1999 mit Beschluss des japanischen Parlaments als Nationalflagge Japans gesetzlich ratifiziert.

Japanische Begriffe und Schriftzeichen

(alphabetisch geordnet)

Amaterasu 天照 (w. die am Himmel scheinende)

Hi no maru oder hinomaru 日の丸 (w. Sonnenkreis): Name der Nationalflagge Japans

Kamikaze 神風 (göttlicher Wind)
Kokki 国旗 (Nationalflagge)

Nichiren 日蓮 (w. Sonnenlotus): Buddh. Mönch, Gründer der gleichnam. Sekte, 1222–1282
Nisshōki 日章旗 (w. Sonnenwappenbanner)

Shōgun 将軍 (Führer der Streitkräfte): Vom Kaiser ernannter General des 12.-19. Jhs.

Quellen

[1] Vgl. Japan – An illustrated Encyclopedia: National flag. Kodansha, Vol. 2, 1993, S. 1057f.

[2, 3] Vgl. Japan – An illustrated Encyclopedia: National flag. Kodansha, Vol. 2, 1993, S. 1057f.
Vgl. Web Japan: Japan Fact Sheet – National Flag and Anthem, 2011, S. 1f.