Japans Nationalhymne

Ein Gedicht wird Japans Nationalhymne

Die Nationalhymne, als kokka bezeichnet, lautet mit Titel „kimi ga yo“ (auch kimigayo), was mit „Die Herrschaft seiner Majestät“ übersetzt werden kann. Ihr Text lautet wie folgt:

君が代は千代に八千代に
Kimi ga yo wa chi-yo ni yachi-yo ni
Eure Herrschaft währe tausend Generationen, achttausend Generationen,
細石の巌となりて苔のむすまで。
sazare-ishi no iwao to narite koke no musu made.
bis auch kleine Steine zu einem Fels werden, auf dem Moos sprießt.

Die leicht veränderte Text von kimi ga yo war ursprünglich ein Kurzgedicht, ein waka, das aus einer Anthologie, dem kokin-wakashū (kurz: kokinshū) aus dem Jahre 905 stammte. Dieses Gedicht verherrlicht die kaiserliche Regentschaft. Ab dem 12. Jh. gewann es an Popularität und man rezitierte es in verschiedenen Versionen zu verschiedenen Anlässen.

Japans Nationalhymne
Abb.: Text und Noten der Japanischen Nationalhymne “kimi ga yo” (君が代) [1].

Bedeutung der Textes

Die erste Zeile (siehe Übersetzung oben) äußert bereits den Wunsch nach einer langen und kontinuierlichen kaiserlichen Herrschaft. Tatsächlich ist die japanische Monarchie die älteste der Welt, die sich auf eine (mehr oder minder) kontinuierliche Ahnenreihe berufen kann. Versinnbildlicht werden Alter und Beständigkeit besonders durch die zweite Zeile: “sazare-ishi iwao to narite …“. Sazare-ishi ist ein großer Stein oder Fels, der aus einzelnen Kieseln und Sedimenten unter hohem Druck entstanden ist. Iwao bezeichnet einen großen Fels. So mögen sich die kleinen Steine zu einem mächtigen Fels vereinen. Solche Felsen sind in Japan nur in den Präfekturen Shiga, Gifu und Miyazaki zu finden und schon deshalb etwas besonderes. In Japans shintō-Kult werden sie als göttliche Symbole verehrt.

Europäischer Einfluss

Das heute bekannte musikalische Arrangement zum Text der Nationalhymne Japans schrieb 1880 Hayashi Hiromori (1831–1896), basierend auf einem Konzept des Hofmusikers Oku Yoshiisa (1858–1933). Die Instrumentierung stammte aus der Feder des preußischen Militärmusikers Franz Eckert (1852–1916), was den europäischen Einfluss erklärt.
Kaiser Meiji hatte angeordnet, dass japanische Hofmusiker nicht nur in der traditionellen Hofmusik gagaku, geschult werden sollen, sondern auch in der Musik und im Spiel der Instrumente des Westens, wie sie in Militärkapellen üblich waren. Die in Aufbau befindliche Kaiserliche Armee und Marine gründeten daraufhin Japans erste Militärkapellen. Nippons Soldaten marschierten nun zu japanischen Märschen.
Melodie und Text der Hymne lassen sich als erhaben, ehrerbietig und royal beschreiben. Sie sind der idealisierte Ausdruck des emotionalen Verhältnisses der Menschen gegenüber dem Kaiser und der Monarchie.

Audiodatei: Japans Nationalhymne “kimi ga yo”. Die Musik beginnt bei 9:00 sek. Interpret: 株式会社日本合唱協会. Erschienen auf: MANIATTA!シリーズ (5)運動会の音楽集.

Uraufführung von Japans Nationalhymne

1880 führte ein Orchester das Lied erstmals zum Geburtstag von Kaiser Meiji auf. 1892 verfügte das Bildungsministerium, dass das Lied bei offiziellen Anlässen in Schulen zu spielen und singen ist. Und wenig später wurde es auch bei Staatszeremonien aufgeführt. Ab 1914 war es fester Bestandteil des Zeremoniells der Kaiserlich Japanischen Marine. Damit wurde kimi ga yo zur de facto Nationalhymne. Erst am 13. August 1999 ist sie per Parlamentsbeschluss offiziell als solche ratifiziert worden[2]. Entsprechend wird sie heute von der Mehrheit akzeptiert. Z. B. bei Sportveranstaltungen erheben sich die Zuschauer, wenn die Nationalhymne abgespielt wird. Aber nicht jeder Japaner/jede Japanerin mag der Hymne den Respekt zollen oder gar mitsingen. Immer wieder gab es auch öffentliche Verweigerung.

Ungeliebte Nationalhymne?

Vor allem Personen mit einer Abneigung gegenüber dem Kaiser und der Monarchie verweigern der japanischen Hymne ihren Respekt. In ihren Augen wird in ihr die Monarchie unnötig verherrlicht. Deshalb stehen sie weder dazu auf noch singen sie die Hymne mit.
So auch ein Gruppe von 22 Lehrern im Mai 2015. Obwohl sie ihr Rentenalter erreicht hatten, beantragten sie eine Weiterbeschäftigung. Jedoch verweigerten ihnen die Schulleiter diese. Die Schulleiter bestraften damit das Fehlverhalten der Lehrer, die sich bei Abschlusszeremonien weigerten aufzustehen und die Nationalhymne zu singen. Die Lehrer betrachteten die Nationalhymne als überzogene Kaiserverehrung und hielten sie für militaristisch. 2012 urteilte der Oberste Gerichtshof Japans, dass eine disziplinarische Bestrafung von Beamten bei Missachtung der japanischen Hymne durchaus verfassungsmäßig sei. Dennoch hatte ein Distriktgericht die Wiedereinstellung der Lehrer angeordnet. Es hat sein Urteil mit dem Recht der Lehrer auf eine freie Meinungsäußerung aus persönlicher Überzeugung begründet[3].

Japanische Begriffe und Schriftzeichen

  • Kokka 国歌 (Landeslied)
  • Kimi ga yo oder kimigayo 君が代 (Eurer Majestät Herrschaft)
  • Waka 和歌 (alte japanische Gedichtform): Ein aus 31 Moren bestehndes Gedicht
  • Kokin-wakashū 古今和歌集 (Sammlung alter und neuer Gedichte)
  • Sazare-ishi 細石 (aus Kiesel und Sediment geformter Fels)

Quellen

[1]   Vgl. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kimigayo.score.svg

[2]   Vgl. Japan – An illustrated Encyclopedia: National antheme. Kodansha, Vol 2, 1993, S. 1055.
Vgl. Web Japan, 2011, S. 2f.
Vgl. Encyclopedia Britannica: Japanese Music, 2012.

[3]   Vgl. Japan Today: Teachers awarded compensation for being forced to sing national anthem, 27.05.2015.