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Japans Regierungsform
Ähnlich wie in vielen westlichen Ländern und von diesen beeinflusst, ist Japans Regierungsform heute die einer parlamentarischen Demokratie, gikaiseimin-shushugi genannt. Das heißt, dass das wahlberechtigte Volk die Abgeordneten für das Parlament wählt. Zudem wurde dies in der Nachkriegsverfassung des Landes von 1946 festgelegt.
Jedoch hat die Demokratie historisch gesehen in Japan keine lange Tradition. Zwar gab es im 16. Jh. rebellische Dorfgemeinschaften, die wie Quasi-Demokratien agierten. Denn sie wandten sich gegen die Herrschaft der Feudalfürsten, der daimyō. Trotzdem blieb das restliche Land ein in Lehen zersplittertes Reich, in denen die Feudalfürsten herrschten. Ab dem 12. Jh. wurde der stärkste Feudalfürst shōgun, militärischer Diktator, während die Kaiser nur noch Symbole des Reichs waren.
Deshalb unterscheidet sich Japans Demokratie auch heute noch in einigen Punkten von westlichen Vorbildern.
Regierung und Parlament
Erst 1889, als Kaiser Mutsuhito die erste Verfassung Japans in Kraft setzte, wurde der Grundstein zur Demokratie gelegt. Allerdings waren nur Adelige und Privilegierte wahlberechtigt. 1946 wurde dann der demokratische Gedanke durch den Einfluss der US-Besatzung nochmals forciert.
Heute übt ein Premierminister als Regierungschef die legislative Regierungsgewalt aus. Dem Premierminister untersteht ein Kabinett an Ressortministern. Ebenso sind der Premier, die Minister und weitere Abgeordnete Mitglieder des Parlaments, dem sogenannten kokkai (Abb. 1). Zudem besteht das Parlament aus zwei Kammern. Schließlich werden die Abgeordneten vom Volk gewählt. Obwohl die meisten Abgeordneten Parteien angehören, gibt es auch unabhängige Mitglieder des Parlaments.
Weil der Kaiser lediglich ein Symbol für Staat und Nation ist, üben allein die gewählte Regierung und das Parlament im Namen des Volkes politische Macht aus.

Regierungswappen
Zwar hat Japan eine Nationalflagge, zudemr gibt es aber noch das Wappen/Siegel der Regierung. Während die Nationalflagge international für Japan steht, repräsentiert das Wappen/Siegel hingegen insbesondere das Büro des Premierministers nach außen. Bspw. in den Medien. Bei diesem Symbol handelt es sich um die Blüte der Paulownia. In Europa auch als Blauglockenbaum bekannt.

Die Paulowniablüte mit Blättern war einst das persönliche Wappen des Kaisers.
Es wird als go-shichi-kiri bezeichnet (Abb. 2). Allerdings würdigte das Kaiserhaus besondere Persönlichkeiten damit, ihnen das Recht zu verleihen dieses Wappen zu führen. So wurde es schließlich das kamon (w. Familienwappen) des Reichseiners Toyotomi Hideyoshi im 16. Jh.
Daher ist die Paulownia heute auch das offizielle Symbol des Büros des Premierministers und damit der Regierung des japanischen Staates. Infolgedessen findet erscheint es auf einer Vielzahl amtlicher und behördlicher Dokumente. Bspw. in Reisepässen, auf Ausweisen, Formularen oder Regierungsmitteilungen. Die Farbe der Blüte kann zwar variieren, aber die Form ist immer identisch. Immerhin ist das Siegel/Wappen auch als Ermächtigung der Regierung zu verstehen. Weil laut Verfassung bestätigt der Kaiser die Regierung in ihrem Amt und erteilt ihr den Regierungsauftrag.
Kammern des Parlaments
Die zentrale Institution der Regierungsform ist also das Parlament (kokkai). Die zwei Kammern sind das Unterhaus oder shūgi-in und das Oberhaus, auch als sangi-in bezeichnet (Tab. 1 & 2). Sowohl das Unterhaus wie auch das Oberhaus entscheiden gemeinsam über Gesetze, Verfassungszusätze oder Änderungen, Verträge, den Haushalt und wählen den Premierminister. Jedoch kann im Streitfall das Unterhaus das Oberhaus mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit überstimmen. Falls nötig, können beide Kammern Untersuchungsausschüsse einrichten, über Petitionen beraten oder Funktionsträger bestimmen.
Zudem hat das Oberhaus Fristen bei Vorgängen zu beachten, wenn diese seiner Zustimmung bedürfen. Ist die Frist ohne Entscheidung vorüber, dann gilt der Beschluss des Unterhauses. Hierdurch ist das Unterhaus das dominante Organ, wenn es um Gesetze geht. Darin kann man es mit dem deutschen Bundestag vergleichen.
Außerdem beinhaltet diese Regierungsform, dass alle Mitglieder beider Kammern für vier Jahre in ihr Amt gewählt werden. Die Sitzungsperiode beider Kammern dauert 150 Tage (beginnend im Januar eines Jahres). Besondere Sitzungen nicht einbezogen.
Das Unterhaus
Unterhaus (衆議院 shūgiin), seit 11.11.2024 (Fraktionsnamen, 会派名 kaiha-mei) | Sitze gesamt (Frauen) |
自由民主党 Jiyūminshutō (Liberaldemokratische Partei)・無所属の会 Mushozoku no kai (Gesellschaft der Unabhängigen) | 196 (19) |
立憲民主党 Rikken-Minshutō (Konstitutionell-demokr. Partei)・無所属 Mushozoku (Unabhängige) | 148 (30) |
日本維新の会 Nippon Ishin no kai (Restaurationspartei Japans) | 38 (4) |
国民民主党 Kokumin Minshutō (Demokr. Volkspartei)・無所属クラブ Mushozoku-kurabu (Club der Unabhängige) | 28 (6) |
公明党 Kōmeitō (Gerechtigkeitspartei) | 24 (4) |
令和新選組 Reiwa Shinsengumi (Hüter des Gesetzes des Friedens) | 9 (4) |
日本共産党 Nihon Kyōsantō (Kommunistische Partei Japans) | 8 (3) |
有志の会 Yushi no kai (Gesellschaft der Unterstützer) | 4 (0) |
参政党 Sanseitō (Partei der politischen Teilhabe) | 3 (2) |
日本保守党 Nihon-Hoshutō | 3 (1) |
無所属 Mushozoku (Unabhängige/Fraktionslose) | 4 (0) |
Regierungskoalition | 220 (23) |
Oppositionsparteien | 245 (50) |
Verfügbare Sitze / unbesetzte Sitze | 465 / 0 |
Abgeordnete gesamt | 465 (73) |
Das Oberhaus
Oberhaus (参議院 sangiin), seit 14.04.2025 (Fraktionsnamen, 会派名 kaiha-mei) | Sitze gesamt (Frauen) |
自由民主党 Jiyūminshutō (Liberaldemokratische Partei) | 113 (22) |
立憲民主党 Rikken-Minshutō (Konstitutionell-demokr. Partei)・社会民主党 Shakai Minshutō (Sozialdemokr. Partei) | 41 (18) |
公明党 Kōmeitō (Gerechtigkeitspartei) | 27 (3) |
日本維新の会 Nippon Ishin no kai (Restaurationspartei Japans) | 18 (5) |
国民民主党 Kokumin Minshutōi (Demokr. Volkspartei)・新緑風会 Shin-Ryokufūkai (Neue Sommerwind-Versammlung) | 12 (4) |
日本共産党 Nihon Kyōsantō (Kommunistische Partei Japans) | 11 (5) |
令和新選組 Reiwa Shinsengumi (Hüter des Gesetzes des Friedens) | 5 (1) |
沖縄旋風 Okinawa Senpū (Okinawa Wirbelwind) | 2 (0) |
NHK党 (NHK Partei: Partei gegen den öffentlichen TV-Sender NHK) | 2 (0) |
無所属 Mushozoku (Unabhängige/Fraktionslose) | 9 (4) |
Regierungskoalition | 140 (25) |
Oppositionsparteien | 100 (37) |
Verfügbare Sitze / unbesetzte Sitze | 248 / 8 |
Abgeordnete gesamt / Frauen | 240 (62) |
Kampf der Worte und Fäuste
Wird von der Regierungsform geredet, dann geht es tatsächlich auch um die Form des Debattierens. Japaner sind sehr gesittete Menschen, weil gutes Benehmen und die Einhaltung der Etikette im sozialen Umgang stets wichtig sind. Folglich wird in Japan ein Streit zwischen zwei Parteien gewöhnlich durch Gespräche und schließlich einen Konsens bereinigt. Also würde man solches Verhalten gerade in einem Parlament erwarten. Immerhin gilt, dass, wer rumbrüllt oder um sich schlägt, gewöhnlich im Unrecht ist.
Allerdings ist das im Parlament Japans nicht immer der Fall. Hier kann ein Wortgefecht plötzlich zur Schlägerei werden. Dieser geht meist eine hitzige Debatte voraus. Besonders bei strittigen Themen, wie z. B. der Änderung der pazifistischen Verfassung oder dem Ausbau der japanischen Streitkräfte. Seit 1945 gab es immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Regierungsmitgliedern und Opposition. Dies ist quasi Teil der parlamentarischen Kultur geworden (siehe Video).
Japanische Begriffe und Schriftzeichen
- Daimyō 大名 (w. großer Name): Im japanischen Feudalzeitalter der Titel für Fürsten des Kriegeradels, die bis ins 19. Jh. über Domänen/Lehen herrschten.
- Gikaiseimin-shushugi 議会制民主主義 (parlamentarische Demokratie): Bezeichnung der Regierungsform Japans.
- Go-shichi-kiri 五七桐 (w. fünf- u. siebenfache Blütenknospen der Paulownia): Einst ein kaiserliches Emblem, heute das Siegel/Wappen des japanischen Premierministers.
- Kokkai 国会 (w. Nationalversammlung): Bezeichnung für das japanische Parlament, das aus Unter- und Oberhaus besteht.
- Kokkai-gijidō 国会議事堂 (w. Halle der Nationalversammlung): Parlamentsgebäude in Tōkyō.
- Mutsuhito tennō 睦仁天王 (Kaiser Mutsuhito, 1852–1912): Unter seiner Regierungsdevise auch als Kaiser Meiji 明治 bekannt, regierte er von 1868 bis 1912, und führte Japan in ein Zeitalter der Expansion und Industrialisierung.
- Sangi-in 参議院 (w. Haus der Räte): Bezeichnung für das Oberhaus, die zweite und kleinere Kammer, des japanischen Parlaments.
- Shōgun 将軍 (w. militärischer Befehlshaber, General): Ab dem 13. Jh. Titel für den mächtigsten Feudalfürsten, der die militärische Kontrolle und auch Regierungsmacht ausübte. Der Titel wurde vom Kaiser verliehen.
- Shūgi-in 衆議院 (w. Haus der debattierenden Masse): Bezeichnung für das Unterhaus, die erste und größere Kammer, des japanischen Parlaments.