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Eine Felsengruppe als Streitobjekt
Ein seit 1953 schwelender Grenzkonflikt ist der Streit Japans mit der Republik Korea (Südkorea) um eine Felsengruppe im Japanischen Meer. Schon die Bezeichnung „japanisches Meer“ empfinden die Koreaner als Provokation, weshalb sie die Bezeichnung Ostmeer vorziehen. Auf halbem Weg zwischen den Küsten Südkoreas und Japans (Präfektur Shimane), befinden sich die von beide Staaten beanspruchten Felsen. In Südkorea spricht man offiziell von den Dokdo und in Japan seit 1905 von Takeshima. In Europa kennt man sie als Liancourt-Felsen. Namensgeber für den europäischen Namen war das französische Walfangschiff Liancourt, dass 1849 im Japanischen Meer (Ostmeer) unterwegs war und die Felseneilande sichtete.
Wem gehört Takeshima/Dokdo?
Die Liancourt-Felsen rückte im 17. Jh. erstmals in den Fokus beider Länder. Die Felsen bildeten ursprünglich zusammen mit der koreanischen Insel Ulleung (Ulleungdo), auf Japanisch erst Utsuryō und dann Takeshima genannt, die Matsushima-guntō. Zwei japanische Kaufleute wollten schon damals Nutzungsrechte an der Insel Ulleungdo erwirken, die sich einige Seemeilen nordwestlich der Felsen befindet. Sie wandten sich an ihre Regierung in Edo (heutiges Tōkyō) mit der Anfrage, ob sie dort Handel treiben dürften. Dies Anfrage wurde jedoch von Korea abgelehnt. Darauf untersagte die Regierung in Edo den Kaufleuten das weitere Anlaufen Ulleungdos, nicht aber der Felsengruppe auf dem Weg dorthin (siehe Karte).
Noch vor Japans Annexion Koreas, hatte der koreanische Kaiser Gojong (reg. 1897–1907) im Jahre 1900 per Edikt amtlich festgelegt, dass Dokdo Teil des Verwaltungsdistrikts Ulleungdo ist1. Darauf beruht Südkoreas Anspruch hauptsächlich.
Takeshima wird Japanisch
Gegen Ende des 19. Jh. entwickelte sich Japan zu einer industriellen und militärischen Großmacht in Ostasien. 1910 annektierte das japanische Kaiserreich die koreanische Halbinsel, nachdem es die Kolonialmacht Russland fünf Jahre zuvor im Kampf um die Mandschurei (China) besiegte. Somit wurde auch Takeshima als japanisches Staatsgebiet angesehen. Nach dem Sieg der Alliierten über Japan 1945 wurden viele der außenliegenden Inseln Japans unter die Verwaltung der Besatzungsmacht USA gestellt. Merkwürdig ist die Tatsache, dass die USA die Liancourt-Felsen zwar unter südkoreanische Kontrolle stellten, diese aber weiterhin als japanisches Gebiet betrachteten. Laut Artikel 2 des Friedensvertrags von San Francisco wurde 1951 festgelegt, das Japan auf alle Gebietsansprüche gegenüber Korea verzichtet. Jedoch betraf dies konkret nur drei Inseln und Takeshima ist nicht darunter. Seit dem Koreakrieg 1953 gehören die Felsen der Republik Korea (Südkorea), obwohl Japan sie beansprucht2.

Südkorea besetzt Takeshima
Südkorea richtete 1953 eine Küstenwachstation auf einem der zwei großen Felsen ein (siehe Abb.). Die Japaner reagierten prompt und vertrieben das koreanische Personal, aber ohne selbst eine Mannschaft dort zu stationieren. Die Koreaner nahmen 1954 die Felsen erneut in Besitz. Der wiederholte Versuch der Japaner, die koreanische Mannschaft zu verjagen, wurde diesmal gewaltsam abgewehrt.
Japan begründet seitdem seinen Anspruch auf die Felsen über die Geschichte. Denn, so die japanische Argumentation, habe das alte koreanische Königreich Silla (57 v. Chr.–935) lange nicht von der Existenz der Felsen gewusst. Zudem wurden diese erst später auf koreanischen Karten eingetragen. Allerdings sind die Felsen auf diesen Karten falsch positioniert.

Nationalistische Propaganda statt Diplomatie
Nationalistische Stimmen gibt es auf beiden Seiten, die mit aufdringlich lauter Propaganda den Anspruch auf die Liancourt-Felsen erheben. Nicht immer handelt es sich um staatliche Propaganda. Auch Privatpersonen und Gruppierungen nutzen dafür Medien wie das Internet.
Die Präfektur Shimane in Japan, von wo aus die Felsen einst verwaltet wurden, hat am 22. Februar 2005 den Takeshima-Tag eingeführt. Dies führte zu massiven Protesten in Südkorea. In Japan nehmen keine hochrangigen Regierungsvertreter an solchen nationalistischen Kundgebungen teil, um keine “Öl ins Feuer” zu gießen. Im Gegenzug hat die „Dokdo Wache“, eine private südkoreanische Organisation, den 25. Oktober zum Dokdo-Tag erklärt, um das öffentliche Interesse an den Liancourt-Felsen zu fördern.
Japan versucht seit 1954 diese Angelegenheit mit Diplomatie zu regeln, indem es die Lösung durch ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs anstrebt. Für Südkorea ist aber klar – es gibt nichts zu verhandeln3.
Hierzu wäre aber eine Verhandlung vor dem Internationalen Gerichtshofs nötig. Dessen Urteil müsste zudem von beiden Seiten auch anerkannt werden.
Drohgebärden
Daher erwog Tōkyō im August 2012, die erst 2011 mit Südkorea getroffenen Vereinbarungen zum Wechselkurs der beiden Währungen und den stützenden Ankauf von südkoreanischen Staatsobligationen infrage zu stellen. Als Reaktion darauf und um den Anspruch auf die Felsen zu unterstreichen, hielten Spezialeinheiten der südkoreanischen Armee und Küstenwache 2013 eine gemeinsame Landungsübung ab. Seitdem finden seitens Südkoreas immer wieder solche Übungen statt. Zuletzt im Dezember 2023. Denn damit will die Republik Korea ihre Entschlossenheit verdeutlichen, diese Felseninseln mit allen nötigen Mitteln zu verteidigen. Auch gegen eine gewaltsame Einnahme durch japanische Kräfte. Japan protestierte gegen diese Art der Drohung4.
Der wirtschaftliche Aspekt
Die Gewässer um die Liancourt-Felsen sind reich an Fisch. Jedoch erklärt dies nicht das besondere Interesse an ihnen. Auch nicht den Jahrzehnte langen Streit um sie. Und das selbst bei traditionell viel Fisch konsumierenden Koreanern und Japanern. Es ist das Methanhydrat, das in großen Mengen auf dem Meeresgrund vorhanden sein soll5.
Das in Eis eingefrorene Methangas ist eine ergiebige Energiequelle und weckt Begehrlichkeiten. Deshalb sind Südkorea und Japan in ihrem Anspruch auf diese unwirtlichen Felsen so unnachgiebig. Außerdem erweitert sie die Ausschließliche Wirtschaftszone des jeweiligen Staates (siehe Ausschließliche Wirtschaftszone Japans). Voraussetzung hierfür aber ist, dass sich der Anspruch auch aus internationalem Recht ableiten lässt.
Japanische, koreanische Begriffe und Schriftzeichen
Shimane-ken 島根県 (w. lnselwurzel-Präfektur): Präfektur Shimane
Dokdo/Dogdo 독도 (w. einsame Inseln): Kor. Name der Liancourt-Felsen
Takeshima 竹島 (w. Bambus-Insel/-n): Jap. Name der Liancourt-Felsen
Utsuryō 鬱陵 (w. düsterer Hügel): Jap. Name für die kor. Insel Ulleungdo
Matsushima-guntō 松島群島 (w. Kieferninseln-Inselgruppe):
Ulleungdo 울릉도 (w. düsterer Hügel-Insel)
Quellen
- Vgl. Außenministerium Japans 日本国外務省: Eine Klarstellung, warum Takeshima japanisches Territorium ist! 10 Punkte zur Takeshima-Problematik. Tokyo, 2014, S. 5f u. 19ff.
Vgl. Korea.net: Südkorea feiert am 25. Oktober den Dokdo-Tag; Seoul, 25.19.2019. ↩︎ - Vgl. Außenministerium Japans 日本国外務省: Eine Klarstellung, warum Takeshima japanisches Territorium ist! 10 Punkte zur Takeshima-Problematik; Tokyo, 2014, S. 13f. ↩︎
- Vgl. Hindustani Times: Japan stages annual rally over disputed islands with S Korea; New Dheli, 22.02.2013.
Vgl. Korea.net: Südkorea feiert den 20. Dokdo-Tag; Seoul, 25.10.2019. ↩︎ - Vgl. Reuters: Japan hints at economic action in S Korea isle feud; New York/Toronto, 21.08.2012.
Vgl. Voice of America: Tensions Remain Between Japan, S. Korea Over Disputed Island; Washington DC, 22.08.2012.
Vgl. Reuters: Japan protests reported South Korean drill at disputed islets; New York/Toronto, 29.12.2023. ↩︎ - Vgl. Der Standard: Japan und Korea sprechen über umstrittene Inselgruppe; Wien, 16.06.2006. ↩︎